MALEREI
The Pacific
Inhaltsverzeichnis
1983 V0n Seattle nach Los Angeles.
Bevor ich New York verliess, um an die Westküste zu ziehen, verbrachte ich erst mal ein paar Monate in meinem Elternhaus in Bottmingen CH, um mich zu sammeln. Ich hatte mich mit der Ausbildung und den Ausbildungsorten gegen meinen Vater durchgesetzt und mit guten Noten in der Central School of Art und später im Pratt Institute abgeschlossen, was meine Mutter und Grossmutter freute, meinen Vater aber eher nervte. Wenn auch ungern, hatte mein Vater London bezahlt, weil was er in der Schweiz für eine Ausbildung hätte aufwerfen müssen, doch mehr gewesen wäre. New York hatte meine Grossmutter bezahlt, was ich erst Jahre später herausfand..
Erst mal ging ich heim nach New York, wo mein Freund Marc Corrodi bei mir in meinem Loft lebte. Er kam aus Kalifornien und hatte die Strecke Seattle- Los Angeles mehrere Male mit dem Fahrrad durchlebt und mich dabei unterstützt, den Pazifik zu entdecken. Autostop ging zu jener Zeit gerade noch und er gab mir die nötigen Hinweise, wie so etwas relativ sicher zu bewerkstelligen wäre.. Es war schon unüblich, was jemand, der da an der Strasse stand, an sich schon interessant machte.
Die Nachbeben, welche meine telephonische Ankündigung, ich würde mit Farbe und Papier von Seattle nach Los Angeles ‚trampen‘, ausgelöst hatte, waren bis nach New York zu spüren. Selbst jene meiner Freunde in der Schweiz, die meine Entscheidungen generell zwar meist frech, jedoch ‚spannend’ fanden, waren der Meinung, ich sei dabei, den Bogen zu überspannen und man sollte mich doch auf den rechten Weg bringen – und dieser hatte aber auch gar nichts mit der Westküste zu tun. Meine Eltern verwiesen auf dreissig Jahre Nutzlosigkeit, was Versuche dieser Art anging und in Brooklyn waren die Erschütterungen dann nicht viel stärker als die einer unterirdisch vorbeifahrenden Subway. Der Onkel meiner Mutter hatte vor seinem Tod mir genug Geld aufs Konto überwiesen, dass auch die Mittel bereit lagen. Vor allem , weil meine Projekte zwar mutig, aber auch billig waren. Was im Leben Geld kostet, sind Reservationen.. Und so war ich weg. Mein Vater war wütend, nicht bloss, weil ich solche Dinge ausführte, sondern vor allem, weil ich den Mut dazu hatte, was sich eigentlich nie so anfühlte. Ich hatte schon früh die Spielregeln geändert und mich an die Neuen gewöhnt . Mit seinem alten VW über den Gotthard und zurück war das Wildeste, was man sich in seiner Zeit, in jeder Hinsicht leisten konnte. Auch meine anderen Freunde in New York, welche die Gegend kannten, relativierten.. Und gaben mir die nötigen nützlichen Hinweise, was half! Vor allem mein späterer Freund Lars in Seattle, der mich zu REI schickte, wo ich mir einen Zeichenmappe-grossen Rucksack, ein ‚Dachs‘-Zelt und ein paar Timberland Wanderschuhe leistete. Das Papier, das ich danach dort bei Daniel Smith kaufte, wurde deshalb auf 43 x 54 cm beschränkt, ein paar nötige Kleider und die mitgebrachten Guitar Ölkreiden dazu und ich war bereit.
Als ich ein paar Jahre nach der Reise wieder mal daheim war, schenkte ich die beiden Mappen meinem Vater, quasi als Dankeschön, dass er mir meinen Willen gelassen hatte.
Inzwischen lebe ich wieder im Haus meiner Kindheit, mit all den Schulabschlüssen und dem Trampen weit hinter mir, und vor mir diese Mappen voll von heraufdämmernden Erinnerungen! Kein Wunder, war mein Vater auch von diesen überfordert gewesen. Er hatte beide Mappen mit in sein Büro genommen, wo ich sie nach seinem Tod 28 Jahre später, nicht zu tief in einem Kasten und nur leicht staubig wiederfand. Als dann ‚die beiden Bücher‘ über mich herfielen, suchte ich erst mal bloss so als Illustration dazu ein paar der Bilder aus. So fand ich die Mappen und öffnete sie endlich.. ‚Nichts was man zeigen sollte‘, war meine erste Reaktion. Schnell fiel mir auf, dass die Reihenfolge in den Mappen nicht mal der Spur nach stimmte. Mein Vater hatte sie sich demnach doch angesehen..?! Und so ging vor mir die Zeitkapsel auf und mein damaliges Ich stand, nicht zu übersehen vor mir. All die Entscheidungen, die ich seither getroffen hatte, erscheinen wie auf einer Karte und ich sah, wie ich wurde, wer ich bin, und auch, wie die verschmähten Wege sich in der Weite aller Möglichkeiten verloren.. Aber die Mappen selbst waren eine andere Sache. Wie gesagt, waren die Blätter mir zunächst peinlich, bis ich mich wieder in ihnen zurecht, und so auch Zugang zu mir, fand.
War die Australien Reise der Endpunkt meines Reisens – im Sinn von, mich durch Raum zu bewegen und nicht nur umziehen – und insofern die Zusammenfassung einer kreativen Entwicklung, waren diese Mappen der Startschuss: Ich würde zum ersten Mal allein auf mich gestellt unterwegs sein und das war ein Tabubruch, nicht nur für meinen Vater, sondern vor allem für mich! Noch konnte ich ja nicht Auto fahren. Die Zeit an der Ostküste, wo Freunde den Student an malbare Ort chauffierten, war vorbei. Also war ‚trampen‘ im Moment eine machbare Lösung: Ich packte, was ich brauchte in meinen unpraktischen Koffer und schaffte es irgendwie nach Seattle und zu Lars. Dort eröffneten sich mir plötzlich die Möglichkeiten eines Neuanfangs, jedenfalls sobald ich, mit der Reise hinter mir, auch die Lofttüre in New York ein letztes Mal hinter mir ins Schloss fallen gelassen hatte. Doch noch schien all das als kaum ein Versprechen. Ich kaufte mir, wie gesagt, am nächsten Tag bei REI das Nötige und liess den weitgehend leeren Koffer erst mal bei Lars als Talisman für eine ungewisse, aber beabsichtigte Rückkehr..
Irgendwann sass ich dann in Oregon in einem Bus nach Süden, hin zum ersten Cape, bei dem sich ein Nationalpark mit Zeltplatz befand und das erste, was ich dort sah, war ein Polypen Baum gegen das Abendlicht des Pazifiks.. Und mein Leben, wie ich es bisher gekannt hatte, war vorbei. Die Strasse ging nur noch in eine Richtung und entweder hatte ich Charakter und Glück genug, oder.. Aber soweit zu denken lag damals nicht in meiner Natur. [1]
Es war mir damals nicht bewusst, aber es ging mir nur bedingt darum, ,Landschaften’ zu malen, auch wenn Blatt um Blatt von der unbearbeiteten in die ausgeführte Mappe wanderte.. Ich hatte mich fast fahrlässig in Zusammenhänge ausserhalb von allem Vertrauten fallen lassen, ohne klares Ziel und nur mit der Absicht, auf all das zu reagieren, was sich vor mir auftun würde, mit nichts als einer Schachtel mit 48 Ölpastell-Kreiden, an die ich mich über die Jahre gewöhnt hatte und die meinen Freunden in Basel deshalb suspekt war, was sie mir auch deutlich sagten..
Ich hatte in der Kunstschule beschlossen, Akt und damit Zeichnen als Fach, nur in einem Abendkurs mit Jane Weeden, einer sehr eleganten, radikalen Künstlerin und didaktisch gut ausgebildeten Lehrerin zu belegen. Denn bei ihr ging es viel mehr um wirkliche Dinge, wie meine Ängste im Umgang mit Raum oder der Härte von Bleistiften. Ich hatte bereits beschlossen, die Welt über Farben einzufangen, ohne diese erst mit Umrissen festzulegen: Zuerst malen lernen! Zeichnen würde später folgen, einiges später.. Die Kreiden hatten inzwischen längst ein Eigenleben, dem ich vertrauen konnte. Es würde noch Jahre brauchen bis ich das Papier ausreizen konnte, aber mein Gespür für seine Oberfläche drückte sich in Arbeiten aus.
Ich hatte zum ersten Mal einen Weg und Zeit vor mir und nichts zu tun, ausser diesem Etwas in mir ohne Ablenkung Folge zu leisten. Der Alltag dieses Prozesses ist im Buch 1 von ‚Auf der Suche nach einem verschwindenden Planeten, 3. Kapitel Bob (Seite 75/76) beschrieben.
Jedenfalls waren dann Seattle und Portland hinter mir und ich verfiel
weitgehend dem Bann des Pazifiks, arbeitete also meist gen Westen, wo ein Kontinent in das unermessliche Weit stürzt.. Mit anderen Worten:Malen an einem verhandelbaren Abgrund. Nicht sicher, aber solide genug für ein paar Stunden Arbeit.
Marc [2] hatte mich auf die nie endende Reihe von National und Stateparks an der Strasse 101 hingewiesen, alle mit Zeltplätzen an schönster Lage, nur für Velofahrer und Leute wie mich. Alles war atemberaubend. Das Licht liess jede Konvention in mir Feuer fangen und ich vergass alles, ausser vielleicht mein Elternhaus und den Kastanienbaum in meinem Gärtchen. [3] Über die Wochen erwiesen sich ein paar der Fäden nach Europa allerdings als stählern und setzten Grenzen, für die ich schon im Affekt dankbar war. Ich war nie verträumt gewesen, nun war ich hellwach und sollte es bleiben.. Was dort mit und in mir geschah, sollte nicht umkehrbar sein und machte mich ein für alle mal zum ‚stranger in a strange land‘ [4] . Und für all das war diese Küste mit ihren geschwungenen, zu Wellen hinfallenden Hügeln, den spitz aufragenden Künstenwäldern und den ‚Capes‘, die sich oft Kilometerweit zum Horizont streckten auch die entsprechende Bildsprache. So war alles eins und ich zum ersten Mal nur noch Zuschauer meiner Finger, wie sie nicht anders konnten als Land und Gefühle nachzuzeichnen. Der Faden, dessen Anfang ich im Lake Distrikt in England gefunden hatte, rollte ab der Spule und ich arbeitete ihm wie betäubt nach.. Von San Francisco würde es mich weiter nach ‚Big Sur‘ [5] treiben und langsam nahm die erste ‚geschlossene Serie‘ Form an und ich mit ihr, wie es dann für den Rest meiner Tage der Fall sein würde.
Erst folgte ich dem Pazifik durch Oregon (3-19) und dann – nach Brookings – durch Nordkalifornien nach San Francisco (20-34). Nach einer Woche arbeite ich meinen Weg durch Big Sur bis Nepenthe (35-43), das Haus, das Orson Wells für Rita Hayward gebaut und nach dem Fluss des Vergessens benannt hatte.
Dort versperrte ein Erdrutsch die Strasse: Ich nahm den Bus dorthin, wartete bis er weg war, balancierte verbotenerweise auf die andere Seite und befand mich nach einem ausgedehnten Fussmarsch im nächsten Dorf, wo der Bus nach LA fuhr. Ich machte nur in Santa Barbara Pause, um mir den legendären Botanischen Garten anzusehen. Zu zeichnen gab es nichts mehr, zudem war der Bann gebrochen und so fuhr ich zu meinem Freund nach Los Angeles.
Ich glaube, dass die Folge der Zeichnungen für sich selbst spricht und all die Jahre später weiss ich auch nicht mehr bei jedem Blatt den Namen des Capes. Die Summe beschreibt ein Erwachen und um das geht es!
Ganz unten die beiden Öl-Triptychon, die auf dieser Reise entstanden. Rechts 1-3 das Pazifik-, links 4-22 das West-Triptychon. Das South of Las Vegas Ölbild ist No 22 im 5 Santa Fe Ordner und wurde schon ca. 1979 dort gezeichnet.
Ich habe diese Mappe 1983, also ziemlich genau vor 40 Jahren gemacht. Wie gesagt, hat mein Vater danach die Reihenfolge durcheinander gebracht und ich diese dann für dieses Projekt versucht wieder zusammenzubringen. Ich habe auch versucht, die Ort zu bestimmen, wo ich die Blätter ausgeführt habe. Dies ist allerdings fast unmöglich. Erstens sehen ‚Capes‘ – Landzungen – alle ähnlich aus und zudem hat sich die Art , wie sie sich -inzwischen auf dem Internet verkaufen- auch verändert. Zudem bin ich oft irgendwo ‚ins Gjätt‘ spaziert, also zu Orten welche auf dem Internet wohl kaum zu finden sind. Immerhin für 2/3 kann ich -bedingt- die Hand ins Feuer legen.. Deshalb dieser Hinweis..
1
Im ersten Teil nahm ich von Maine (1;2) (1 1983 P Küste Main) erst den Greyhound nach Kanada und von dort den Zug an die Westküste und weiter mit dem Bus hinunter nach Seattle und von dort Richtung Süden:
2
Das Erste, was ich am Cape Meares im Tillamook County, sah, war jener Oktopus-Baum vor dem Pazifik (4 1983 Polypen Baum 2 OG 2. ), der mich überwältigte. Ich führte sogleich Nummer 3 und Nummer 4 aus. Was ich bis vor kurzem nicht wusste, war, dass er vor 300 Jahren vom Stamm der Tillamook in diese Form ‚umerzogen‘ wurde, um ihn als Ratsbaum für Rituale zu nutzen. Es gab also ursprünglich nur diesen Einen.
3-19 Die folgenden Blätter folgen erstmal der Küste Oregons und dann weiter durch Kalifornien – 20-34 – bis Mt. Sahst und nach San Francisco.
3
Wichtig war dabei erst mal das Erlebnis in Lincoln City, ( 10 1983 P Lincoln City 1 The knoll OG13.) (siehe Buch 1, 3 Kapitel Bob, nach Seite 76). Also ist es sinnvoll 3 – 11 zum dritten Teil zu machen.
4
Danach geht ein vierter Teil von dort, bis und mit Mt Sashta (22 1983 P CA2 Mt Shasta 1) (12- 23). Damit wären wir auch in Kalifornien (nach 19),
5
Der fünfte Teil führt von dort bis und mit San Francisco (32 1983 P CA 11L Gld Gt NRA/ 33 1983 P CA 11R Gld Gt NRA. ) ( 24- 34)
6
Der sechste Teil geht von San Franciso durch Big Sur nach Nepenthe (42 1983 P CA 20L Big Sur4 Nepenthe 3a/ 43 1983 P CA 20R Big Sur4 Nepenthe 3b). Also von 35- 43.