MALEREI
Still Lifes
Inhaltsverzeichnis
,Still Lives‘ ist meist ein Sammelbegriff für Alles, was auf einem Tisch Platz findet, manchmal viel, manchmal nur ein Glas – und das nicht mal voll..
Ich hatte meine Schulzeit in England abgeschlossen und so gab es weder Schüler noch Lehrer, die Interesse hatten, mir mit meiner Zukunft zu helfen. Alles war offen! Und immer, wenn ich in dieser Art von Situation landete, griff ich auf die Machbarkeit von Stillleben zurück. Damals hiess das, ich ging ich aufs Geratewohl einfach mal nach Manhattan und verbrachte im Tiefwinter 1978 zwei Wochen dort. Es war kalt, sehr kalt. Vor Gortex gab es nur Seidenunterkleider.. Meine Wohnung wurde nur indirekt geheizt und war selbst tagsüber nur für knapp 3 Stunden ertragbar. Ein paar Blocks weiter östlich, gab es an der 15. Strasse ein Badehaus, das Ganztages-Karten verkaufte. Man konnte also beliebig rein und raus und das machte das Experiment möglich. Manhattan in der Sommerhitze hatte ich schon erlebt. Das war auch nur knapp ertragbar, aber wild und exotisch. Kurz: Das pralle Leben! Das Eis verlangte nun gnadenlosen Einsatz. Es fühlte sich aber nicht so an, machte sogar, und vor allem, Spass und zeigte mir, dass Zeichnen auf Papier nach wie vor ein Weg war. Was nur heissen konnte, dass ich dort meinen MA machen konnte. Jahre später fand ich heraus, dass.. und warum.., Anna, die Mutter meiner Mutter, eine Lockführer-Witwe darauf bestand mir meine Schule zu bezahlen, ohne dass meine Mutter das auch nur erwähnen durfte! [1]
1 – 4 NYC 1978: Winter war in erster Linie eine Herausforderung und es gab jede Menge von Angeboten, mich abzulenken.. Aber ich hatte Wasser-farben, Papier, Tusche und Pinsel gekauft und meine obligaten Schachteln mit Bleistiften unterschiedlicher Härte dabei. Für Ölkreiden war es zu kalt! Nahe genug in Richtung Frühling, gab es, trotz der Schneeverwehungen schon Tulpen zu kaufen. Ich fand eine italienische Rotwein-Glasflasche bei einer Abfalltonne, machte sie zur Vase und liess einfach los, wieder mal.. Dann ab ins Badehaus und wieder zurück und weiter arbeiten. So gegen 23.00 Uhr kam ich endgültig nach Hause und schloff unter die 10 cm von Deckenlagen, bis auch meine Nase zu kalt hatte und ich sie für eine Weile in die Wärme holte, atmen hin oder her. Die Mappe sollte einen Zusammenhang haben, was sich allerdings erst im Nachhinein herausstellte. Diese Tulpen sind eine Auswahl dieser Mediation..
5 + 6 sind Arbeiten, die ich 1982 am Pratt Institute in Brooklyn für meinen MFA, für die Neben(weiter)ausbildung in Druckgraphik, ausgeführt hatte. Man hatte mir ein funktionierendes Arbeitsumfeld versprochen, um Siebdrucke herzustellen, was ebensowenig vorhanden war, wie irgendwelche Fachkräfte. New York, eben.. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, dass zwar ehrlich, aber nicht übermässig aufwendig war.. Nun war war es wieder mal Winter in New York. Da Landschaften bei der Kälte nicht machbar waren arbeitete ich vom Model. Ich wandte meine Landschafts-Farbsprache auf liegende menschliche Körper an. In London galt als die minimalste Definition von ‚Druck’ : „Eine Serie von identischen Blättern mechanisch hergestellt.“ Ich griff auf die einzige mechanische Vervielfältigungs-Technik zurück, die mir zur Verfügung stand: Farbphotokopier in der lokalen Drogerie. Die Schule konnte ja keine Einwände haben, nachdem ich mich verständnisvoll gezeigt hatte. Mir war aufgefallen, dass der Kopierer die Farben verschob, aber nicht immer gleich. Die Technik war damals noch alles andere als ausgereift und das interessierte mich.. Also machte ich 11 Kopien und erklärte 10 zu einer Druckstufe. Auf der 11. liess ich dann meine Kreiden auf die Veränderung reagieren und machte davon wieder 11 Kopien, erklärte 10 der verschobenen Variation einer nächste Druckstufe und wiederholte den Prozess ein drittes Mal. Dann zerstörte ich die Originale.Also hatte ich 30 Kopien, die eine Entwicklung dokumentierten. In NYC ging so etwas! Vor allem, weil das Produkt stimmig, unerwartet und ‚gedruckt‘ war. So erhielt ich sogar eine anständige Note.
7 entstand in Seattle in meiner, grauen Sandstein belegten, 3.80m hohen Garage.inzwischen Teil eines Cafés. Eben zurück aus der Schweiz, schlief ich auf Holzpaletten auf dem Boden und wartete darauf, dass genug Steine meines Mitbewohners mein zukünftiges Atelier verlassen hatten, so dass ich die 60m2 des höher gelegenen Stocks einbauen konnte. [2] Ich war eben nach die Verfilmung von ‚A room with a view‘ zurückund war so 21.00h schon im Dunkeln zu meinen Steinfragmenten nach Hause gekommen. Der Steinbruch roch förmlich nach Klassik und ich war voll der Gefühle, was das so weit entfernte ‚Land, wo die Zitronen blüh’n‘ anging. Also suchte ich zusammen, was in der Küche rum lag und was ich eben ausgepackt hatte und begann, in der Nacht bei Kunstlicht zu arbeiten..
8 – 14 kamen zusammen, weil mein Freund Ernst bei mir Unterricht nehmen wollte. Ich sagte erst ab, war dann aber einverstanden, dass er hinter mir parallel mitarbeitete und Fragen stellen konnte.
8 Wir fingen zwar mit dem Bleistift an. machten dann gleich mit Kreiden weiter, von denen ich ihm eine Schachtel geschenkt hatte. Mein London Kredo: ‚Erst malen lernen, dann zeichnen dazu nehmen!‘, versuchte ich so weiter zu geben. Nur, über die Jahre war mit Farbe gleichzeitig auch zu zeichnen eine Selbstverständlichkeit geworden. So begann ich dies auszutesten..
8 hat mit Gewicht und Eleganz zu tun und scheint mit dem üblichen ‚Steinchenraum‘ [3] konstruiert, widerspricht dem aber auch wieder. Mein Schüler fand das verunsichernd, also machten wir mit Farbe weiter..
9 zeigt blühende Äste in einem Zwiebeltopf, allerdings sehen wir nicht so sehr das Ausschlagen der Äste, sondern im Ausschnitt einer räumlichen Konzentration, um an den Tag der heiligen Barbara zu erinnern. Wir sind in einer Wohnung, ein Gefäss und künstliche Wärme geben einen Frühling vor, der letztlich nur dekorativ ist! ..oder hoffnungsfroh?
10 ist ein Blatt, mit dem ich versuchte, meinem Schüler die spanischen Stilleben des 17. Jahrhunderts näher zu bringen, deren Umgang mit Metaphern aus der historischen Distanz für mich ein Art von asiatischem Anflug haben: [4] Ich erstand einen grossen Busch blühenden Basilikum, nahm die Marmorplatte, auf der mein Geschirr normalerweise trocknete und arbeitete mit 3 Tisch-Spotlights. Dazu Gemüse und Früchte, um ihn aus einem zu genauen Abzeichnen von Frucht um Frucht ‘rauszulocken. Er musste sich gehen lassen, denn da war einfach zu viel Information, um sie kontrollieren zu können. Er musste die Zeichnung als Gegenüber verstehen und öffnete sich dann tatsächlich der Komposition.
11 ist aussergewöhnlich in der Reihe: Meine Mutter hatte auf der Fenster-Wand, zwischen Kasten und Radiator, etwas was sie als Loch empfand. Sie mass es aus und bestellte etwas ‚nicht zu Wildes‘. Ich schlug ein Stilleben mit einem Kürbis vor und sie hatte keine Einwände. Nicht, dass ich ihr das vorher erklärte, aber ich kaufte einen grossen ,Mutterleibkürbis’, stellte einen Stein davor, den ich die ganzen 20 Jahre auf meinen Reisen dabei hatte und liess einen weissen (Euphorbie) ‚Korallen Zweig’ darüber hängen. Und das Bild suchte sich seine Metapher: Der Kürbis las als Erde, der Stein als ihr Mond und die Euphorbie beschrieb dessen Umlaufbahn. Es wurde ein Mutter/Sohn Bild und für einmal las all das für sie und niemand sonst im Haus sah mehr als ein Stillleben. Auftrag erfüllt!
12: Es waren Granatäpfel, welche am Baum der Erkenntnis wuchsen und von denen Persephone 4 Spalten ass. Seither muss sie jährlich 4 Monate bei Hades unten bleiben, was uns den Winter beschert. Deshalb die filigranen, kleinen Äste eines Stechapfels und Nüsse, die ich nur der Spur nach aus der Schale holte, bevor sie aus Montreux [5] mit mir zurückkamen.. Und ein Stück rosa Sandstein, aus dem das Basler Münster gebaut ist. Dahinter eine Elsässer Gratinform und alles schräg auf einem Stück grauem Sandstein aus Seattle, dazu Schatten und Spiegelungen. Das Weiss war als Gegenlektion zum spanischen Schwarz von 10 gedacht. Die sprachliche Aufzählung lässt schon Metaphern vermuten, aber es braucht sie letztlich nicht. Ein Verdacht von Bedeutung ist vorhanden, vor allem, weil wir das von Stillleben gewohnt sind. Und es ist dieser leise Verdacht, um den es mir hier ging..
13 improvisiert das Thema und hat formell insofern etwas tankamässiges: Die grosse andalusische Bauernschale rutscht wieder dem grauen Sandstein ab. Die Wand ist hellblau. Diesmal, gesäuberte Nüsse.. (Ein englischer Botaniker, den ich mag, meinte: ,Birnen isst man nackt.. im Bad!’ ) Ihre Farbe und Oberfläche machen das Bild. Die Nüssen daneben stabilisieren die Schale..
14: Und noch so ein pädagogisches Weiterspinnen: Die nun deutlich hellblaue Wand nimmt das halbe Bild ein. Die Bauernschale könnte vielleicht am Rutschen sein.. Exotische Früchte, von denen man nur von den kleinen, süssen Bananen weiss, wie sie schmecken, machen das Bild ‚anders’. Es verunsichert genug, so dass Metaphern irgendwie nicht mehr von Interesse sind. Dazu ist es zu ‚abgehoben‘. Ich versuche meinem Schüler zu zeigen, wie man Objekte platzieren und Licht benutzen kann, sodass diese mehr von sich hergeben als bloss ihre körperliche, ihre physische Präsenz..
1 Winter on 15th street NYC 1978
1 – 4 NYC 1978: Winter war in erster Linie eine Herausforderung und es gab jede Menge von Angeboten, mich abzulenken..
2 Winter on 15th street NYC 1978
Aber ich hatte Wasserfarben, Papier, Tusche und Pinsel gekauft und meine obligaten Schachteln mit Bleistiften unterschiedlicher Härte dabei. Für Ölkreiden war es zu kalt! Nahe genug in Richtung Frühling, gab es, trotz der Schneeverwehungen schon Tulpen zu kaufen.
3 Winter on 15th street NYC
Ich fand eine italienische Rotwein-Glasflasche bei einer Abfalltonne, machte sie zur Vase und liess einfach los, wieder mal.. Dann ab ins Badehaus und wieder zurück und weiter arbeiten. So gegen 23.00 Uhr kam ich endgültig nach Hause und schloff unter die 10 cm von Deckenlagen, bis auch meine Nase zu kalt hatte und ich sie für eine Weile in die Wärme holte, atmen hin oder her.
4 Winter on 15th street NYC
Die Mappe sollte einen Zusammenhang haben, was sich allerdings erst im Nachhinein herausstellte. Diese Tulpen sind eine Auswahl dieser Mediation..
5 MFA Pratt Print NY 1982
5 + 6 sind Arbeiten, die ich 1982 am Pratt Institute in Brooklyn für meinen MFA, für die Neben(weiter)ausbildung in Druckgraphik, ausgeführt hatte. Man hatte mir ein funktionierendes Arbeitsumfeld versprochen, um Siebdrucke herzustellen, was ebensowenig vorhanden war, wie irgendwelche Fachkräfte. New York, eben.. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, dass zwar ehrlich, aber nicht übermässig aufwendig war.. Nun war war es wieder mal Winter in New York. Da Landschaften bei der Kälte nicht machbar waren arbeitete ich vom Model. Ich wandte meine Landschafts-Farbsprache auf liegende menschliche Körper an. In London galt als die minimalste Definition von ‚Druck’ : „Eine Serie von identischen Blättern mechanisch hergestellt.“ Ich griff auf die einzige mechanische Vervielfältigungs-Technik zurück, die mir zur Verfügung stand: Farbphotokopier in der lokalen Drogerie.
6 MFA Prätt Print NY 1982
Die Schule konnte ja keine Einwände haben, nachdem ich mich verständnis-voll gezeigt hatte. Mir war aufgefallen, dass der Kopierer die Farben verschob, aber nicht immer gleich. Die Technik war damals noch alles andere als ausgereift und das interessierte mich.. Also machte ich 11 Kopien und erklärte 10 zu einer Druckstufe. Auf der 11. liess ich dann meine Kreiden auf die Veränderung reagieren und machte davon wieder 11 Kopien, erklärte 10 der verschobenen Variation einer nächste Druckstufe und wiederholte den Prozess ein drittes Mal. Dann zerstörte ich die Originale.Also hatte ich 30 Kopien, die eine Entwicklung dokumentierten. In NYC ging so etwas! Vor allem, weil das Produkt stimmig, unerwartet und ‚gedruckt‘ war. So erhielt ich sogar eine anständige Note.
7 entstand in Seattle in meiner, Sandstein belegten Garage in Seattle. Ich war eben nach die Verfilmung von ‚A room with a view‘ zurück und war so 21.00h im Dunkeln zu meinen Steinfragmenten nach Hause gekommen. Der Steinbruch roch förmlich nach Klassik und ich war voll der Gefühle. Also suchte ich zusammen, was rum lag und begannt bei Kunstlicht zu arbeiten..
– 14 kamen zusammen, weil mein Freund Ernst bei mir Unterricht nehmen wollte. Ich sagte erst ab, war dann aber einverstanden, dass er hinter mir parallel mitarbeitete und Fragen stellen konnte.
8 Back home 1993
8 hat mit Schwerkraft und Eleganz zu tun, was meinen Schüler forderte..Wir fingen zwar mit dem Bleistift an, machten dann gleich mit Kreiden weiter, von denen ich ihm eine Schachtel geschenkt hatte. Mein London Kredo: ‚Erst malen lernen, dann zeichnen dazu nehmen!‘, versuchte ich so weiter zu geben.
9 Still Life 4 BS_ 1997
9 zeigt blühende Äste in einem Zwiebeltopf, allerdings sehen wir nicht so sehr das Ausschlagen der Äste, sondern im Ausschnitt einer räumlichen Konzentration, um an den Tag der heiligen Barbara zu erinnern. Wir sind in einer Wohnung, ein Gefäss und künstliche Wärme geben einen Frühling vor, der letztlich nur dekorativ ist! ..oder hoffnungsfroh?
10 Still Life 2 BS_ 1997
10 ist ein Blatt, mit dem ich versuchte, meinem Schüler die spanischen Stilleben des 17. Jahrhunderts näher zu bringen, deren Umgang mit Metaphern aus der historischen Distanz für mich ein Art von asiatischem Anflug haben. [6] Viel Gemüse und Früchte, um ihn aus einem zu genauen Abzeichnen von Frucht um Frucht ‘rauszulocken. Er musste sich gehen lassen, denn da war einfach zu viel Information, um sie kontrollieren zu können.
11 Still Life 2 BS_ Earth Mother 1997
11 ist aussergewöhnlich in der Reihe: Meine Mutter hatte auf der Fenster-Wand, zwischen Kasten und Radiator, etwas was sie als Loch empfand‘. Ich schlug ein Stilleben mit einem Kürbis vor und sie hatte keine Einwände. So kaufte ich einen grossen ,Mutterleibkürbis’, stellte einen Stein davor, den ich die ganzen 20 Jahre auf meinen Reisen dabei hatte und liess einen weissen (Euphorbie) ‚Korallen Zweig’ darüber hängen: Der Kürbis las als Erde, der Stein als ihr Mond und die Euphorbie beschrieb dessen Umlaufbahn.
12 Still Life 5 BS_ 1997
12: Es waren Granatäpfel, welche am Baum der Erkenntnis wuchsen und von denen Persephone 4 Spalten ass. Seither muss sie jährlich 4 Monate bei Hades unten bleiben, was uns den Winter beschert. Deshalb die filigranen, kleinen Äste eines Stechapfels und Nüsse, die ich nur der Spur nach aus der Schale holte, bevor sie aus Montreux [7] mit mir zurückkamen.. Und ein Stück rosa Sandstein, aus dem das Basler Münster gebaut ist. Dahinter eine Elsässer Gratinform und alles schräg auf einem Stück grauem Sandstein aus Seattle, dazu Schatten und Spiegelungen.. Ein Verdacht von etwas wie Bedeutung ist vorhanden, vor allem, weil wir das von Stillleben gewohnt sind. Und es ist dieser leise Verdacht, um den es mir hier ging..
13 Still Life 3 BS_ 1997
13 improvisiert das Thema und hat insofern formell etwas tankamässiges: Die grosse andalusische Bauernschale rutscht wieder dem grauen Sandstein ab. Die Wand ist hellblau. Diesmal, gesäuberte Nüsse.. Ihre Farbe und Oberfläche machen das Bild. Die Nüssen daneben stabilisieren die Schale..
14 Still Life 3 BS_ 1997
14: Die nun deutlich hellblaue Wand nimmt das halbe Bild ein. Die Bauernschale könnte vielleicht am Rutschen sein.. Exotische Früchte, von denen man nur von den kleinen, süssen Bananen weiss, wie sie schmecken.. Es verunsichert genug, so dass Metaphern irgendwie nicht mehr von Interesse sind. Ich versuche meinem Schüler zu zeigen, wie man Objekte platzieren und Licht benutzen kann, sodass diese mehr von sich hergeben als bloss ihre körperliche, ihre physische Präsenz..