MALEREI
South Africa
Inhaltsverzeichnis
Vielleicht war es ein Fehler für mich, nach Afrika zu gehen. Meine Zuneigung für seine Kultur und Geschichte, meine Schuld als Europäer, ob nun Schweizer oder nicht, und meine Unverträglichkeit, was die Hitze angeht, machten diese Reise zu etwas ‚Fremdartigem‘. Aber ich ging ja eh als Raporteur in Sachen ‚Gender issues‘ für Ruth Ruthman und die Schweizer AIDS-Hilfe nach Durban an die World AIDS Conference 2000. Zudem hatte ich Zugang zu den Betroffenen-Zelten und konnte so über die tatsächlichen politischen Verschiebungen im Hintergrund kommunizieren. In Durban war das alles eine Freude und nur spannend. Barcelona ein paar Jahre später geriet zu einer Ekel erregenden Katastrophe: Es brauchte einen Betroffenen Aufstand, nur damit in der Tiefgarage, in die man uns versenkt hatte, ein essbares Frühstück serviert wurde. In Durban war das alles mit soviel Respekt und Kompetenz wie nur möglich aufgegleist. Und dann war Nelson Mandela doch noch bei der Schlusszeremonie aufgetreten und er war wie ein Leuchtfeuer, nach dem sich alle instinktiv ausrichteten..
Und dann war es vorbei: Ein Freund hatte mir geraten, so schnell wie möglich aus der Stadt zu verschwinden und mit der üblichen Synchronität [1] fuhr ich am selben Abend über eine für Weisse nicht ungefährliche Strasse im Sonnenuntergang, durch blutroten Staub, an Kindern in Schuluniformen auf ihrem Heimweg vorbei und schaffte es gerade noch im plötzlichen letzten Licht zurück auf die Autobahn nach St. Lucia, wo ich eine Unterkunft fand. Ich wusste, dass das nicht Europa und nicht einmal die USA war, hier war überall tatsächliche Gewalt vorhanden und Risiko war in diesem Zusammenhang einfach nur Dummheit. Aber trotz meines Respekts war ich nur bedingt für die ausgetretenen Touristenpfade gemacht..
1: Spät am nächsten Nachmittag sass ich dann alleine am Indischen Ozean und zeichnete gen Osten, während hinter den Tamarinden die Sonne deren Schatten über mich warf, bis sie innert Minuten den Geist aufgab.. Hm?,Vielleicht würde es hier bald gefährlich sein? Ich hastete zu meinem Auto. Auf dem Weg zurück, dort wo Menschen Sicherheit gaben, kaufte ich Säcke mit reifen Avocados und Mangos auf der Strasse und holte tief Luft. Es hatte also noch mal angefangen mit dem Reisen.. Nur war die Gefahr diesmal real, ja unumgänglich..
2: Nach ein paar Tagen Erholung von all dem Stress und der Trauer und mit einer Handvoll Zeichnungen im Gepäck, suchte ich meinen Weg nach dem Hluhluwe-iMfolozi-Park und fand in einem weniger belegten Ableger des Hauptlodge ein Bett. Am nächsten Morgen ging ich auf dem Weg zur Arbeit an einem Schild vorbei, auf dem stand: „Ab hier ist jeder, der von irgendwas gefressen wird, selbst schuld.“ Ich fand eine Aussicht über den Ochsenbogen eines Flusses und setzte mich hin. [2] Die Komplexität des Ganzen war aufwendig, da war zu viel von Allem und nichts, was das Bild getragen hätte. Oder ich hatte schlicht noch nicht die Erfahrung, einfach Zugang zu dieser Welt voraussetzen zu können. Also musste ich all die Konzentration in mir fokussieren und mich dann fallen lassen.. Nach ein paar Stunden zeichnen, schoss eine Breitseite Paviane an mir vorbei, aber die Herde hatte kein Interesse an Ölkreiden oder einem weissen Mann mit Papier. Als die Zeichnung zu Ende war, war ich wie betäubt.. Und von wegen vorhandenen möglichen Wildtieren, brauchte ich nun die vier Wände meines Kolonialhäuschens und liess mich eine Runde schlafen. Ich konnte das uralte, trockene, weisse Holz riechen.. Draussen schien die grelle Sonne aufs Gras der Hügel!
3: An dem Abend bekam ich beim Haupthaus des Hluhluwe-iMfolozi-Park eine Bleibe in einem der kleinen Gästehäuser. Früh am nächsten Morgen suchte ich ‚lichte Weiten’ und fand sie auch. Es war reine Hühnerhaut-Stimmung und nicht nur wegen der Art, wie das frühe Licht die Hügel anglühte. Allerdings war der Ort auch einer der Haupt-Aussichtspunkte und bald malte ich zwischen Zebrabeinen vorne und Touristenbeinen hinten. Aber es ging, irgendwie.. Hin und wieder hörte ich zustimmendes Grunzen über mir, aber es war zu viel von Beidem, dass ich mich angesprochen gefühlt hätte, wer oder was immer das war. ‚Weite und das weiche Licht‘ standen im krassen Gegensatz zur Härte der Wirklichkeit dort, mal ganz abgesehen von HIV. So liess ich den Dornenbaum über mir ins Bild, was allgemein nicht gefiel. Die Zustimmung nahm ab, aber die Touristen auch.. Und die furchtlosen Zebras ästen weiter. [3]
4: In ‚KwaZulu-Natal 1‘. erwachte ich, wieder mal zu früh, in einem Zimmer auf einer Rinderranch. Im Haus war wohl noch niemand auf? Der Hund kam vorbei und hatte eine Freude, mich zu sehen. Er begleitete mich mit meinem Kaffee zurück und legte sich aufs Holz hinter mir, während ich begann zu arbeiten. Die Aussicht hatte schon etwas Alttestamentarisches. Nicht gerade, dass ,Moses das gelobte Land erblickte’, aber die Dimension stimmte. Es war Winter, überall Dürre und jede Menge von was bei uns Fluhen heisst: Jene Abbrüche an Hügeln, dazu Blumen und eine Yucca im Steingarten gerade vor mir.. ein Fels. Irgendwann bekam der Hund Hunger. Und ich irgendwann dann auch! [4]
5: ‚KwaZulu-Natal 2‘ ist ein Blatt, das ich erst Jahre später begann zu verstehen. Meine Gastgeberin hatte nach der Ermordung ihres Vaters nicht mehr künstlerisch arbeiten können und kam deshalb mit, mich zu beobachten und sich mit mir zu unterhalten.- Das Blatt ist sehr ruhig und, wenn auch genauso spektakulär wie die USA, blieb das Bild in seiner Wirkung geradezu verschlossen. Der Minimalismus des Blatts macht es unzugänglich, doch ist es emotional stark. Es ist natürlich das Gegenteil zu den Rothko-inspirierten Blättern. Es scheint fast akademisch, wäre da nicht eine Trauer, die sich nicht festmachen lässt. Ungreifbarkeit ist das Thema, wohl gerade wegen dem abgesicherten Raum.. [5]
6: Im Drakensberg Sleeping Giant National Park fand der Manager, dass ein Maler ins Haus mit der besten Aussicht gehöre, vor allem da dieses im Winter eh leer stand: Es war üppiger Luxus, mit Putzfrau, die so Arbeit hatte.. Aber ich war allein und es noch nicht gewohnt, schnell mal meine Mutter anzurufen, selbst wenn mein Vertrag dies vorsah. Das Wohnzimmer war 5 Meter hoch und hatte Fenster, sodass man im zurückgesetzten Esszimmer im oberen Stock noch in die Weite sah. Da war ein Tafelberg mit uralten Buschmänner-Höhlen und dahinter konnte man einen steilen Weg gerade noch ausmachen, der hinauf und über die Berge führte. Tolkien [6] soll hier in der Nähe geboren sein und so glaubte ich, den Weg zu erkennen, auf dem die Gefährten im ersten Buch zu den Höhlen der Zwerge hinaufsteigen. [7] Irgendwann fand ich Zugang zum Land, das sich vor mir auftürmte und es wurde ein Bild mit fremdem Vordergrund. Aus Metaphern ergeben sich Mythen… [8]
7: Ich blieb ein paar Tage in den ‚Drachenbergen‘ und im Sleeping Giant Nationalpark. Der nächste Tag war verhangen und obschon nicht Regenzeit, war es unsicher genug, um mich besser nicht zu weit von meinen Fenstern zu entfernen. Gegenüber jener breiten Ravine, auf der die Häuser standen, leuchteten im verhangenen Licht die Hügel plötzlich tiefrot auf. Sie machten den Anschein, als ob da etwas am erwachen war.. Danach zurück zu meinen Fenstern und dem für mich schon angezündeten Feuer. Ich wollte Zeit meines Lebens diese Jagd nach mir selbst niemandem sonst zumuten und so sass ich denn in diesem unglaublichen Raum und wartete auf die Dämmerung. [9]
8: Ich blieb dann noch länger dort und sah mich um: Von unten, in Richtung Tal, wo die Ravine sich öffnete, sah man zurück bis zum Chimney Rock [10]. Dies sollte das letzte Bild hier und auf dieser Reise sein. Am nächsten Tag, gerade vor Johannesburg, sollte die Mal-Blockade einsetzen. Nach der emotional anspruchsvollen AIDS-Tagung und all den anderen Eindrücken seither, war dies also, was Afrika mir in Sachen Kunst zugestand. Im Kamin-Fels schaffen die typischen, leuchtenden Kanten im Nachmittagslicht vor und hinter helldumpfem Grün einen sich auflösenden Raum, für den es in der europäischen Kunstgeschichte wenig Ähnliches gab. So versuchte ich alles in mich aufzunehmen und das Bild zu spüren, ohne mich vom Andersartigen verwirren zu lassen. Der Abschied aus Afrika hatte begonnen, auch wenn ich das noch nicht wusste..
1 St- Lucia Indian Ocean S. 63 2000
1: Spät am Nachmittag sass ich alleine am Indischen Ozean, während hinter den Tamarinden die Sonne deren Schatten über mich warf, bis sie innert Minuten, den Geist aufgab. Hm? Vielleicht würde es hier bald gefährlich sein? Ich hastete zu meinem Auto. Auf dem Weg zurück, kaufte ich an der Strasse Säcke mit reifen Avocados und Mangos und holte tief Luft: Es hatte also noch mal angefangen mit dem Reisen.. Nur, war die Gefahr diesmal real, ja unumgänglich..
2 Hluhluwe-iMfolozi-Park ZA 2000
2: Nach etwas Erholung suchte ich meinen Weg nach dem Hluhluwe-iMfolozi-Park und fand in einem Ableger des Hauptlodge ein Bett. Am nächsten Morgen ging ich an einem Schild vorbei: „Ab hier ist jeder, der von irgendwas gefressen wird, selbst schuld.“ Ich fand eine Aussicht über den Ochsenbogen eines Flusses. [1] Obwohl, da war zu viel von Allem und nichts, was das Bild getragen hätte..?! Nach ein paar Stunden schoss eine Breitseite Paviane an mir vorbei, aber die Herde hatte kein Interesse an Ölkreiden oder einem weissen Mann mit Papier. Danach brauchte ich die vier Wände meines Kolonialhäuschens.. Ich legte mich hin und konnte das uralte, trockene, weisse Holz riechen..
3 Hluhluwe-iMfolozi-Park ZA S.65 2000
3: Die nächste Nacht schlief ich im Haupthaus des Hluhluwe-iMfolozi-Park. Früh am nächsten Morgen suchte ich jene ‚lichte Weiten’ und fand sie auch. Es war reine Hühnerhaut-Stimmung und nicht nur wegen der Art, wie das Licht die Hügel anglühte. Die Weite und das weiche Licht‘ standen im krassen Gegensatz zur Härte der Wirklichkeit dort, mal ganz abgesehen vom HIV. So liess ich den Dornenbaum über mir ins Bild, was allgemein nicht gefiel. Die Zustimmung nahm ab, die Touristen auch.. Und die furchtlosen Zebra ästen unbeirrt weiter. [2]
4 KwaZulu-Natal 1 ZA 2000
4: In ‚KwaZulu-Natal 1‘. erwachte ich, in einem Zimmer einer Rinderranch. Im Haus war wohl noch niemand auf? Der Hund kam vorbei und hatte eine Freude mich zu sehen. Er begleitete mich mit meinem Kaffe zurück und legte sich aufs Holz hinter mir. Die Aussicht hatte an sich schon etwas Alttestamen-tarisches.. Es war Winter, überall Dürre und jede Menge von was bei uns Fluhen heisst: Jene Abbrüche an Hügeln, dazu Blumen und eine Yucca im Steingarten gerade vor mir.. ein Fels. Irgendwann bekam der Hund Hunger. Und irgendwann ich dann auch! [3]
5 KwaZulu-Natal 2 ZA 2000
5: ‚KwaZulu-Natal 2‘ ist ein Blatt, das ich erst Jahre später begann zu verstehen. Meine Gastgeberin hatte nach der Ermordung ihres Vaters nicht mehr künstlerisch arbeiten können und kam deshalb mit, mich zu beobachten und sich mit mir zu unterhalten.- Das Blatt ist sehr ruhig und, wenn auch genauso spektakulär wie die USA, blieb das Bild in seiner Wirkung geradezu verschlossen. Das passt, ist es doch im Umfeld der Zulu Schlachtfelder entstanden. [4] Der Minimalismus des Blatts macht es unzugänglich, doch ist es emotional stark. Es scheint fast akademisch, wäre da nicht eine Trauer, die sich nicht festmachen lässt. Ungreifbarkeit ist das Thema, wohl gerade wegen dem abgesicherten Raum.. [5]
6 Drakensberg SA Sleeping Giant NP 2000
Vor dem Fester war ein Tafelberg mit uralten Buschmänner-Höhlen und dahinter konnte man einen steilen Weg gerade noch ausmachen, der hinauf und über die Berge führte. Tolkien [6] soll hier in der Nähe geboren sein und so glaubte ich, den Weg zu erkennen auf dem die Gefährten im ersten Buch zu den Höhlen der Zwerge hinaufsteigen. [7] Irgendwann fand ich Zugang zum Land, das sich vor mir auftürmte und es wurde ein Bild mit fremdem Vordergrund. Aus Metaphern [8] ergeben sich Mythen..
7 Drakenberg NP, Rain, Sleeping Giant NP 2000
7: Ich blieb ein paar Tage in den ‚Drachenbergen‘, aber der nächste Tag war verhangen und obschon nicht Regenzeit, war es unsicher genug, um mich besser nicht zu weit von meiner Bleibe zu entfernen. Gegenüber jener breiten Ravine, auf der die Häuser standen, leuchteten im verhangenen Licht die Hügel plötzlich tiefrot auf. Sie machten den Anschein, als ob da etwas am erwachen war..
8 Drakensberg Chimney Rock, Sleeping Giant NP 2000 ZU HELL
8: Ich blieb dann noch länger dort und sah mich um: Von unten, in Richtung Tal, wo die Ravine sich öffnete, sah man zurück bis zum Chimney Rock. [9] Dies sollte das letzte Bild hier und auf dieser Reise sein. So versuchte ich alles in mich aufzunehmen und das Bild zu spüren, ohne mich vom Andersartigen dieses Kontinents verwirren zu lassen. Der Abschied aus Afrika hatte begonnen, auch wenn ich das noch nicht wusste..