MALEREI
Öl
Inhaltsverzeichnis
ERGO SUM 3
Öl-Malerei 1978 - 2017
Dieser ist der dritte von drei Texten, welche sich mit unterschiedlichen Aspekten von dem, was sich ‚Prozess‘ nennt, auseinandersetzen. Der erste ist ein Überblick, der sich zu einem grossen Teil mit meinen literarischen Texten abgibt. Der zweite Teil, welcher sich auf die visuelle Bildsprache fokussiert, ist Im Ordner 7 OZ unter dem Titel ‚Die Mechanik visueller Metaphern im Affekt..‘ zu finden. Dieser dritte Teil in 12 Öl gibt sich mit dem Farbauftrag und der Anwendung von ‚Push and Pull‘ ab. Alle drei Teile bilden ein Ganzes, können aber auch einzeln gelesen werden. Um eine visuelle Entwicklung aufzeigen zu können, beschränke ich mich in diesem Text auf meine Ölbilder.
(Allgemeine Einführung)
Hin und wieder lass ich mir den Vorwurf gefallen‚ ‚..man könne, was ich produziere auch einfacher und eleganter herstellen‘. Leute, die Bilder über ihre Form definieren, sehen das oft so.. Da ich im ,Deutschen Eck’ der Malerei mindestens anfangen habe, hatte das die Wirkung, dass Form sich eher über Inhalt ergibt. So entsteht Eleganz meist und lediglich als ein Nebenprodukt. Dass meine späten Bilder eleganter wirken, berührt mich selbst deshalb nur am Rande..
In meinem Vorkurs an der Wimbledon School of Art beschäftigte ich mich ausschliesslich mit Skulpturen und dank dem Entgegenkommen von Richard Palser, dem technischen Lehrer, war diese Zeit letztlich trotzdem nützlich. Nach 3 Monaten in der Skulptur-Abteilung der Central School of Art and Design, während denen ich mit Glas und Plastik arbeitete und dann begann, Wachs in Bronze zu giessen, war dann irgendwann genug, genug: Ich begriff, dass der Grund für diese Auseinandersetzung mit ,Materie’, meine panische Angst vor der Physikalität von Ölfarbe war. Öl war nicht mehr etwas, das ins Papier eindrang, sondern transparente Substanz, die auf einer Grundierung schwebte. Sobald ich das verstanden hatte, wollte ich in die Malerei-Abteilung wechseln. Der Chef der Abteilung für Bildhauerei fand nach meiner Erklärung, dass das sinnvoll und auch mein gutes Recht sei. Am Telefon weigerte sich der Chef der Malabteilung dermassen lauthals, dass Adrian Berg [1], der gerade auch im Büro der Malabteilung war, vorschlug, er würde das verpasste Interview mit mir nachholen. Nach zwei Stunden verbalen Mord und Totschlags hatte ich ihn überzeugt und begann nun als Teil des Maldepartments zu arbeiten. [2]
Die ersten Arbeiten auf Leinwand bestanden noch aus in dicken, ‚pastoso’ Lagen aufgetragener Farbe, was vor allem eine Auseinandersetzung mit Farbe, eben als fassbare Materie, war. Die letzten Bilder in London sollten dann erheblich dünner im Auftrag sein, da ich begann, vermehrt Malmittel [3] zu benutzen. Ich liess alle diese Ölbilder in England bei Freunden, dank derer sie entstanden waren. Dass diese Vorgehensweise möglich war, spricht wirklich für die Qualität dieser Schule, gerade noch vor Thatcher, die diese ganze Vielfalt von unterschiedlich gelagerten Kunstschulen in ein einziges, konturloses Ganzes zusammenzwang. Dies setzte ihrer Qualität, wie vielem anderen auch, ein Ende.. Ich entkam in allerletzter Minute in die USA, da ich im Pratt Institute [4] in Brooklyn einen Platz im Masters Programm erhalten hatte; und dort beginne ich diesen Ablauf:
No 1, 1978 wurde in New York noch während der Schulzeit gemalt und zeigt ein Feld jenseits des ersten Hügels südlich meiner Haustüre [5] in Bottmingen. Der Blick geht von oben, dort einem Hügelkamm aus weiter nach Süden. Über diesen Kamm bin ich während Jahren mit unserem jeweiligen Hund spaziert und das ursprüngliche Blatt zeigt, wie meistens bei mir, dieselben beiden emblematischen Bäume auf einer Wiese. [6] Kaum in New York angekommen, hörte ich, das Feld sei überbaut worden. Das Ölbild, das im Anschluss entstand, sollte mein einziges sein, dass ich während der Zeit im Pratt (NY) ausführte; und es fand unisono Ablehnung durch die Lehrkräfte, wohl vor allem, weil mein Interesse hauptsächlich meinen Mitschülern galt.
Jedenfalls hatte ich zum ersten Mal angefangen, wenigstens im Himmel, mit transparenten Lagen zu arbeiten, was heute meine Haupttechnik ist. Im Gegensatz dazu ist die Farbe im unteren Teil immer noch eher wie in London ‚impasto‘ (dick) aufgetragen. Beide Teile passten damals nicht in den NYC Kunstmarkt, der auf ‚geschleckte Oberflächen‘ mit drauf montierten, zerbrochenen Teetassen aus war.No 1 ist aber auch das erste Bild mit der Gempenfluh [7], allerdings gespiegelt, da sie so besser in die Komposition passte. Mein Freund und Lehrer, der Bühnenbildner Peter Harvey [8], meinte, als er den Himmel sah: „Ach, hast du endlich angefangen zu malen..?“.
Schon früh war mir klar, dass eine Nach-Rothko Öl-Landschaft nicht flüssig und ‚en pleine air‘ zu haben waren. So aufregend diese Art zu arbeiten auch ist, ich würde, was ich in Sachen Farbe und Raum sagen wollte, so nicht auf die Leinwand bringen können.. [9] Im Markt sind Bilder meist erfolgreicher, wenn sie ‚Kicks‘ vermitteln: Also schnelle Emotionen, sei es über eine elegante oder eine primitive Oberfläche. Ein Kollege in Santa Fe wollte erst zwei meiner Bilder (hier No 10/11) hoch oben in seinem grossen Restaurant ausstellen, was bei deren Grösse sinnvoll war. Als er dann ’10 Missouri Morning’ und ’11 Montana Storm’ sah, entschied er, dass sie selbst dort oben zu viel Aufmerksamkeit weg von der Sängerin am Ende der Pianobar ziehen würden. Nach der Ablehnung der beiden Bilder meinte ein anderer, weitgehend humorfreier Freund von mir, dass Abstand nötig sei, damit sie ‚lesen‘.. Und er hatte Recht. Allerdings sind 1.90 x 1.39 Meter grosse Leinwände doch für einen entsprechenden Raum gedacht. Nach 1995, wieder in der Schweiz, lieh ich sie einem Freund aus Zürich, um sie an die obere Mauer seines Halb-Duplex zu hängen, wo er für ein paar Jahre durchaus glücklich mit ihnen war. Eine Umsetzung von Blatt auf Leinwand war selbst bei der Grösse durchaus möglich, verlangte aber nach einem Mehr an Kraft.
Meiner eignen Tradition entsprechend, führt die Entwicklung von Farbe in der Zeit nach Van Gogh über Jawlensky zu Rothko. Im Nachhinein entscheidend war die Gleichzeitigkeit der ‚Moghul‘-Miniaturen mit der in der Schule verlangten Auseinandersetzung mit den Ideen hinter dem Abstrakten Expressionismus. [10] Lange war der Prozess rein intuitiv. Ich wusste, dass da irgendwo ein Durchgang war, fokussierte aber auf die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Disziplin und sah viele Beispiele (von was?), einerseits am ‚World of Islam Festival‘, anderseits in dem Teil der ‘Seagram murals‘ [11], den Rothko der ‚Tate Modern’ vermacht hatte. Die Idee, ‚widersprüchliche Farbräume, welche trotzdem lesen‘, als Basis für eine erkennbare Landschaft zu nehmen, begann also gleich von Anfang an in mir zu rumoren. Nach No 1 4103 NY 1978, also mit den ersten Lasierungen, wurde das dann akut. Mit der Zeit begann dieses Gespür aus dem Intuitiven ins Bewusste aufzusteigen.. [12]. Zwischen meinem Interesse am fernöstlichen Pinsel, den Mogul-Farbräumen und Rothkos Grammatik ergab sich so ein Kollektiv von unintegrierten Gesichtspunkten, welche auf mich wirkten. Diese Herausforderung erlaubte mir, ab dem Montreux Triptik (No 30 – 32 ) dann eigene, intuitive Lösungen zu finden.
Die Aufteilung von Ölbildern in 2 Schritte war technisch nötig, wollte ich doch erst die Landschaft als Komposition in den Griff bekommen und so die Struktur erst im Kleinen festlegen. ‚Push und Pull’ [13] ist aber meist eine Frage von ‚Trial and Error‘ [14]. ‚Push‘ (Stossen) und ‚Pull‘ (Ziehen) beziehen sich auf die Idee, dass Rot warm und deshalb am nächsten liest. Dagegen liesst Blau kalt und liegt so tiefer im Raum als Rot. Legt man nun aber den Rand einer blauen Fläche über eine rote Fläche, zieht das Blau das Rot im Raum zurück. Räume, die allgemein nachvollziehbar und glaubhaft wirken, werden so mehrdeutig. Deshalb muss man diese Beziehungen oft erst austesten; man muss in diesem Sinne ‚malen‘!
Um dies von einem Blatt auf das meist grössere Ölbild zu übersetzen, benötigte ich oft Monate, heute manchmal Jahre. Also müssen ‚Vorlagen‘ sehr eng gehalten sein, sodass die nötige Information und Kraft schon latent vorhanden ist und die Farbe sich am Schluss aus sich heraus behaupten kann. Diese Idee war seit London zentral und wurde nun mit den vermehrt durchsichtigen Farblagen (Lasierungen) zu einem meiner eigentlichen Themen; wenn auch der Pinsel gleichzeitig angefangen hatte, auf der Grundierung zu tanzen.
Die Grundidee von Ölmalerei war und ist, dass Licht durch die transparenten Lagen von Farbe fällt, sich am weissen Grund spiegelt und so das Bild von hinten ‚beleuchtet‘.. Im 17./18. Jahrhundert wurde ein Bild in Sepia und Weiss ‚grundiert‘ und danach mit durchsichtige Farblagen koloriert..
Die schon in Montreux, in diesen ersten ‚Zeichnungen zunehmende Spannung ‚zwischen Strich, später Pinsel, und Fläche, später Lasierung, würde meiner Ölmalerei ihre Richtung weisen. [15] Das heisst, meine Wahrnehmung von Landschaft überhaupt, entwickelte sich von Anfang an über diese Spannung von dem, was später asiatischer (Pinsel-)Strich und expressionistisch/moghule Farbfläche wurde. Insofern läuft die Reise durch diese Ölbilder – die Entwicklung von den energischen Pinselstrichen nach 1978 bis zu beispielsweise ‚Fields of Gold 1‘ 1996 [16], mit seinen über 40 Lagen Lasierung – parallel zu jenen ersten Schritten, als ich versuchte aus Öl-Crayons Farbflächen hinter meine Stämme zu legen..
Die andere Grundidee war also, die spontane Arbeit auf Papier über eine Ausführung als Ölbild durchschauen zu lernen, um auf diese Art diesen ,Instinkt’ nun reflektiert umzusetzen, was eine andere, vielleicht weniger offensichtliche Art von Spontanität verlangt.
Noch während der Schule in New York organisierte ich einen Loft in Brooklyn, wo ich schliesslich mit 6 ständigen und ein paar zeitlich begrenzten Künstlern aus allen möglichen Sparten lebte. 4 davon waren Maler, aber wir reagierten letztlich alle aufeinander. [17]
No 2, in Rhode Island gezeichnet und 1982 in NYC gemalt, entstand am Anfang der AIDS-Krise: Im 1. Kapitel von ‚Verführung‘ sitze ich auf einem Barstuhl und schaue über den Hudson einem grünen an/ab-Licht am anderen Ufer zu. [18] Dies mahnte mich an den Schluss von ‚The Great Gatsby‘. Diese gebrochene Hoffnung entsprach genau meinem damaligen Selbstverständnis. Später, während eines nächtlichen Kanu-Ausflugs auf Rhode Island, sah ich das gleiche Licht in der Ferne.. So entstand die Studie zu ‚No 2 NYC, The Great Gatsby‘.
Ich war auf meiner USA-Reise mit Jack durch Washington DC gekommen und hatte dort im ,Smithsonian’ Blakelock und Ryder gesehen und begriffen, dass Nachtlandschaften in den USA eine lange Tradition haben. In einem Buch über Ryder las ich, dass er uns gezeigt habe, „..dass schlechtes Zeichnen grossartiges Design sein kann“ und verstand das sofort. Dies beantwortet (abgesehen von der Spiegelung links) auch die Frage, inwiefern dies ein widersprüchlicher Farbraum ist. Nachtbilder sind immer zum Teil erfunden. Die Idee setzte sich letztlich hier quasi von selbst um..
Der andere wichtige Aspekt, den meine Zeit in NYC mit sich brachte, war, dass es in den USA einiges mehr an Platz gibt. Grössere Wohnungen haben grössere Wände und selbst wenn Manhattan dafür kein Vorzeigebeispiel ist, galt für Kunst die Einsicht, dass Leinwände hier gross sein sollten – und da wir alle in ‚Lofts‘ lebten, schwammen wir instinktiv mit dieser Strömung. No 2 ist 2.13 x 1.45 Meter. Bei den Triptychons wurde ich dann etwas kleiner und das blieb so bis zum Santa Fe Doppel-Dyptique No 15 – 18.. [19]
No 3: Die 1980, gerade nach dem Tod meiner Grossmutter [20] in Bottmingen gezeichnete Studie, die dann 1984 in Seattle in Öl übersetzt wurde, sollte wichtig für mich werden. 1980 liess die Trauer mich jedes Interesse an ‚Zeichnung‘ verwerfen. Ich arbeitete schnell und aus der Verletzung heraus. Dies gibt der Zeichnung Wucht, was aber auf Kosten eines genauen Hinsehens geht. Beim Ausführen des Öl-Bilds hab ich diesen Umstand, so wie er war, respektiert.. Inwiefern hier ein Farbraum entsteht, ist deshalb auch nebensächlich. Der wärmste Farbwert liegt jedenfalls ganz hinten im beschriebenen Teil des Raums und die fliegenden Blätter entziehen uns das genaue Erkennen einer Tiefe.
No 34 wurde 1998/99 in Basel in Öl gemalt. 1995/96 und entstand auch zwischen Bottmingen und Münchenstein, je eines der beiden Blätter pro Jahr [21] und sehr in der Nähe von No 3. 1999 führte ich die 2.50 x 0.94 Meter Öl-Version zu Ende. In den zwischen No 3 und No 36 verflossenen 11 Jahren, hatte sich mein Umgang mit Landschaft radikal verschoben. 1995 setzte ich mich unter den Baum ganz links und schaute gegen Osten -1980 gen Süden- ich hatte in London mit meinem minimalen Englisch angefangen, Gedichte zu schreiben: „(..So) wie man auf Einen wartet, der weder kommen, noch weg zu bleiben braucht, während in seinen Armen (der) Frühling sanft vergeht und nur Kirschbäume weinen, um den Sommer willkommen zu heissen [22]..=„ Und dies japanisch angehauchte Gedicht, das hier noch sehr unasiatisch-romantisch daher kommt, traf mich, als Jahre später meine Grossmutter neben mir ihren Geist aufgab, und so entstand die Version No 3 auf Papier und später erst die Öl-Version. Ich hatte immer vor, eine reifere Umsetzung zu versuchen. So wurde No 34 zu einem Schlüsselbild, das es mir erlaubte, im Baselbiet wieder Fuss zu fassen.. Seine Grösse war teils eine Rebellion gegen die belastende Enge der Schweiz..
Die Blätter für das ,Pazifik Triptychon No 4 – 6’ hatte ich während meiner Reise 1983 von Seattle nach Los Angeles gefertigt, um sie 1984 dann in Seattle in meiner ersten Garage auszuführen. Emotional geht es um diese, für einen Schweizer immer noch unglaubliche Weite, und damit auch darum, was dieser ‚Ozean‘ in mir ausgelöst hatte. Die tanzenden Pinsel haben von diesem Punkt an ihre Hoch-Zeit. Malmittel variieren die Farbdichte je nachdem, was diese erreichen soll und das macht die Farbe zunehmend dünnflüssiger. Nicht nur im Himmel entwickeln sich Lasierungen. All dies entfesselt ,Energie’ und wird malerisch so zum zentralen Aspekt. Es gibt einen Teil in mir, der heute Heimweh nach dieser Zeit hat und nach dem, was und wo ich in meiner Entwicklung in Seattle damals war. Als ich wegging, kam mir gar nicht in den Sinn, wie flüchtig diese Stadt und diese Welt sein würden..
No 4, den linken Flügel, zeichnete ich in der Nähe von Mendesino, CA. Jemand, der mich in seinem Auto mitnahm und mich Bekannten vorstellte, die dort ein Lager hatten, hatte mich gebeten, ein Bild an diesem Ort zu malen. Indirekt bewachte ich so einen Tag lang seine Hasch-Plantage [23], da er weg musste. Es war in diesem Tal, wo ich den Traum von Kalifornien zum ersten Mal sinnlich nachvollziehen konnte. Unten am Fluss war das Lager mit dem Tipi, in dem ich schlief.. Es war eines der ersten ‚Wandteppich-Bilder‘ – das vorläufig letzte ist jenes von Wölflinswil. [24] Die Lagen von Farbe ordnen sich noch dem Pinsel unter, arbeiten aber bereits über ihre ‚Kanten‘. Auch der Pinsel vermischt Farbe und Lagen, manchmal näher an Seurat, manchmal schon durch ‚Push und Pull‘. [25]
‚Wandteppich‘-Bilder mit ihrem tiefen Horizont verlangen eine gewisse Konventionalität im Aufbau, da sie gleichzeitig in die Höhe und in die Tiefe gehen. Die Ebene unten erdet das Blatt auf diese Art, nur der Teil jenseits des Flusses scheint etwas näher. Der Raum wird durch die Grösse der Bäume und Büsche kontrolliert. Allerdings schiebt sich am jenseitigen Ufer ein roter Hügelzug zwischen einen näheren, gelben und einen dunkel gehaltenen Berg, der, wenn farblich auch kühler, dennoch drückt (Push). Das Rot ‚schiebt‘ in beide Richtungen und gibt dem Blatt seine Erregung. Das Orange vor dem kühlen Grün macht diese nachvollziehbar.
N0 5, den Mittelteil, malte ich noch in New York, während ich meine 7 Sachen packte und mich verabschiedete. Die Flügel, No 4 und No 6, führte ich bereits in meinem ersten, umgebauten Laden in Seattle aus. Die Vorlage für den Mittelteil (No 9) hatte ich 1983 [26] bei Mt. Humbug in Oregon erlebt. [27] Nach Maine nahm ich den Zug an die Westküste und ging von dort mit dem Bus weiter Richtung Süden. Der Himmel ist im Original in den Ecken leicht heller. Gegenlicht hat eine ähnliche Logik wie Nachtbilder. Der schwarze Strand und die kleiner werdenden Felsen bestimmen den sonst eher flachen Raum: ‚Wirklichkeit‘ lassen nur die orangen Felsen ganz links im Mittelgrund und ihre Weiterführung rechts, wo die Welle auf den Sand bricht. Dieser Kreis wird geschlossen von derselben Farbe im Himmel und den Flecken im Sand vorne.
No 6: Das Allererste, was ich auf dieser Reise dem Pazifik nach sah, war jener Octopus-Baum [28] vor dem Licht am Cape Meares (Tillamook County). Beides überwältigte mich. Ich führte dort die Zeichnungen No 3 und am Morgen No 4 aus. [29] Was ich bis vor kurzem nicht wusste, war, dass diese Sitka-Fichte vor ca. 300 Jahren vom Stamm der Tillamook in ihre Form ‚umerzogen‘ wurde, um ihnen als Ratsbaum und Ritual-Ort zu dienen. Es gab also ursprünglich nur diesen Einen.
Es gibt hier eine Parallele zu ’11 Oz Aquarius The Olgas’. Beides sind Bilder, welche einen üblichen, im Fall von OZ 11 sogar einen strikt chromatischen, Raum benutzen und beide aus demselben Grund. Die Wirklichkeit ist dermassen magisch, ja unglaublich, dass die Erdung in der Erwartung eine eigne Unwirklichkeit mit sich brachte. Es gibt dazu Parallelen in den Mogul-Miniaturen, aber das wusste ich dann noch nicht, als ich die beiden zeichnete.
No 7 – 9: Von dem 1985 in Seattle im Loft gemalten Triptychon sind No 7 und No 8 weiter südlich, in Kalifornien gezeichnet worden. No 9 zeichnete ich schon 1979 an der Strasse südlich von Las Vegas.
No 7, der linke Flügel, entstand in Big Sur [30] und ist von dessen Energie geprägt: Die oft dokumentierten Rillen jener Landschaft sind, vor allem mit dem Blick nach Norden und gen Abend, zwangsläufig ein Thema: Alles vibriert.. Die Entstehungsgeschichte der Zeichnung, der Zeitdruck [31] und meine Beziehung zum Ort (schon nur durch die Gedichte von Robinson Jeffers [32]), schaffen eine eigene Emotionalität. Die malerische Übersetzung auf diese Grösse brauchte Kraft. Darum war das Ölbild kleiner auch nicht zu haben.
Das Blatt hier geht extrem den Push/Pull-Weg, ohne dass ich daran gedacht hätte. Rechts ist warm, links ist kalt. Aber bis zum Baum ist alles links näher als die Wärme rechts. Das gelbe Meer und der Himmel oben drücken zwar nach vorne, werden aber von den blauen Kanten der Hügel zurückgestossen. Nur der kleine Hellblaue ganz hinten impliziert üblichen Raum. Der orange Himmel und orange Busch ganz vorne schaffen die Flächigkeit von Gegenlicht, welcher nur der kleine Fluss widerspricht. Und trotzdem liest all das absolut, warum auch immer..
No 8, der Mittelteil, ist eine Sache für sich: Bei Mt. Shasta sollen sich 12 ‚Laylines‘ (Kraftlinien) kreuzen [33], was ihn zu einem der grossen spirituellen Zentren, nicht nur der esoterischen Bewegung, macht. Was immer das heissen mag. Sich seiner Kraft zu stellen, braucht nicht nur Mut, sondern auch jenen ‚Willen zur Macht‘. [34] Ich schlief danach lange und meine Gastgeberin, eine Freundin von Marc [35], hörte auf, meinen Bildern Komplimente zu machen und wir begannen zu reden. Wie schon erklärt [36], ist eine Komposition mit einem ‚Haag’ etwas ganz Grundsätzliches! In diesem Öl-Ordner allein gibt es drei. Bei diesem hier, mit den Gerippen der ‚Tumble weeds‘ [37] und der schwarzen Pfahl-Latte, ist die gezogene Grenze klar die des ,Jenseits’, des Todes. Malerisch halten sich hier das Flächige und das Tanzende die Waage. Der Vordergrund fehlt; man sieht nicht, wo die Latte aus dem Boden ragt. Es gibt nur noch das Jenseitige, so wie bei Brahms ‚Deutschem Requiem‘ [38]. Inwiefern der Berg in dem Sinne ‚Gottes Wort‘ entspricht, ist eine Entscheidung, die eher offen gelassen wird. Auf der anderen Seite ist Mt. Shasta dennoch ein Vulkan..Mt. Shasta kommt immer wieder in anderen Zusammenhängen vor und wird als Schlüsselbild bezeichnet. Dieser Vulkan gilt als Machtort per se, was wohl auch damit zu tun hat, dass er in Kalifornien steht. Nach der Region zwischen Aigle und dem Lac Léman kräht bekanntlicherweise kein Hahn. Schwarz dominiert Weiss, was die Integration von Kirschbäumen so knifflig macht. Hier setzen Holz und Stacheldraht eine Grenze, während das Eis Weite schafft: Danach Weiss, Braun, Blaugrün/Grün, Dunkelorange, Hellorange, warmes Braun, kaltes Grünblau geht ins Ocker über, kaltes Grün, etwas Ocker links, etwas Orange rechts und blaue und weisse Striche halten die untere Hälfte in Schach. Die kaltgrünen Linien an den Rändern stossen das Orange zurück, das den Berg darüber schweben lässt. All das seh’ ich erst jetzt.. Das wärmere Orange umkreist das kalte Blau, unter dem die Masse des Bergs sein eignes Wetter macht..
No 9: In diesem rechten Las Vegas-Flügel setzt sich zum ersten Mal Lasierung weitgehend durch und der Pinsel unterstützt und kontrastiert nur noch. Das braucht Präzision, da die Spannung zwischen wenig Linie und der Fläche den ‚Inhalt‘ tragen muss. Noch tanzen hin und wieder die Pinsel, aber sie sind nur noch Unterhaltung.
Die Zeichnung zu diesem Bild entstand, während ich noch auf der Suche nach Nordamerika war: Las Vegas war für mich damals vor allem eine Zeitverschwendung und so beeindruckend der Hoover Damm auch war, so deutlich erschien mir seine hypnotische Gewalttätigkeit. Ich brauchte etwas Authentisches und fand es: Die rechts/links Achse lässt das Blatt entstehen. Recht schiebt ein fahler, blauer Berg über eine Reihe von stärker werdenden Schatten den Raum vom Horizont zum Strassenrand nach vorne. Dazwischen oranges Licht, das nach vorne schwächer wird, von Kanten knapp kontrolliert. Rechts ist im Vergleich geradezu konventionell. Das kleiner werdende Grün der Büsche unterstützt die verschwindende Strasse, an der eh kein Vorbeikommen ist. Die Palme signalisiert als Vertikale eine ‚quasi-humane‘ Präsenz. Das kalte Gelb im Schwarz macht den Raum eindeutig. Nur der Himmel geht von den kalten Tönen am oberen Rand ins immer Wärmere zum Horizont hin, kommt aber nicht gegen die Strasse an. So liest der Farbraum auf den ersten Blick fast banal.. Das Blatt machte mir damals Hoffnung..
10L (7A) Missouri Morning‘ und ’11 10R (7B) Montana Storm’ bringen den Gegensatz zwischen Kraft und Energie, zwischen Pinsel und Lasierung auf den Punkt: In Missouri Morning harmonisiert der Pinsel mit den Lagen über ein Nebeneinander. In Montana Storm überlagern sich die Konzepte und ‚Push und Pull‘ beginnt sich auszuleben. Beide Bilder sind in
‚5 Montana Text‘ (KWV) besprochen.
Für ‚Missouri Morning‘ gilt analoges wie für ’11 Oz Aquarius, The Olgas’. Auch hier ist alles üblich, jedenfalls auf den ersten Blick. Nur die Wärme des Hügels im Hintergrund fällt aus dem Raum, aber ein warmes Ocker am rechten Rand des Wassers ordnet auch das sauber ein. Das Bild hat was Liebliches, wie viele der Montana Blätter, was, wie mir in der Schweiz erklärt wurde, nun wirklich ‚aber sowas von nicht gehe‘. Noch ein Grund, es als Öl auszuführen. Was irritiert, ist allerdings die Energie der Spieglung in den beiden Armen des trägen Flusses frühmorgens.. Die Ölbilder irritieren schon nur wegen ihrer Grösse. Eher hat es schon mehrmals Angst gemacht. Farbraum und Bild verunsichern; was sie auch sollen..
’10R (11/ 7B) Montana Storm’ irritiert aber nicht nur deswegen, ist es doch das leidenschaftliche Gegenüber zu No 10. Der Raum im Himmel ist eine Sache für sich und ich lass das mal so stehen.. Dem Hellblau des Berges weit weg, ganz rechts, steht ein warmer Brauner fast ganz links gegenüber. Nach dessen inopportuner Wärme mit dem violetten Deckel steh’n in zwei Lagen nach vorne, die beiden Butes in Preussisch Blau und Tiefviolett. Etwas Hellblau funkt dazwischen. Danach kommen eine Reihe von warmen Hügeln, welche an einem braunvioletten Feld enden, dessen obere Kante horizontal liegt, wie die beiden Hügelkanten rechts. Links scheinen diese Hügel einem Loch zuzufallen, das vorne von einer warmen Kante begrenzt, diese Hügel dahinter nach hinten stösst. Das Feld vorne ist ein Dreieck, dessen linke Kante (etwas wie) einer Strasse folgt, mit einem kühlgrünen, nach vorne breiter werdenden Band dazwischen. Unterhalb der dritten Seite tönt noch etwas vom Grün bis zur Bildmitte nach. Der Rest hat das leuchtende Gelb der Gerstenfelder, das mit zunehmender Weite oranger, dunkler und wärmer und von den braunen, oberen Kanten der Hügel begrenzt wird. Tiefe und Flächigkeit liegen so ständig im Widerstreit, was die Emotion auch im unteren Teil anheizt.
No 12 [39] und No 13 [40] sind die letzten beiden Bilder, die ich in meiner umgebauten Garage an der Belmond St. in Seattle ausführte: Sie sind eine Zusammenfassung der Entwicklung im Nordwesten/ Montana.
No 12, die Zeichnung, wurde auf der ‚Sunrise‘ Seite des Mt. Rainiers ausgeführt, während des Besuchs meines samischen Freundes Moas, als wir zusammen einen Ausflug machten. Ich halte mich fast immer an das, was sich vor mir auftut. Allerdings sind in diesem Fall die Nadelbäume im Bild in Tat und Wahrheit mehr als 4 Mal so hoch, wie sie es damals tatsächlich noch waren. Zu meiner Überraschung funktionierte die metaphorische Verschiebung: Die ganze Komposition verdichtet sich zu einem (verdeckten) Punkt im unteren Fünftel hin, aus dem sich eine aufgefächerte Folge von Kurven öffnet. Nur die vergrösserten Tannen leisten dieser Bewegung Widerstand. So entstand wieder ein Schlüsselbild: Linien und Lasierungen überlagern sich und erlauben dem komplexen Raum Glaubwürdigkeit.. Das Bild hat eine ‚Anziehungskraft‘: Als ich es ausserhalb von Liestal (BL) in einer der Cheditte-Ausstellungen zeigte, regte sich eine Malerin höflicher Wolkenbilder tödlich über seine Nähe zu ihren Leinwänden auf. Ich verstand das: Sie waren irgendwie einfach nicht mehr da.. Die Kuratorin hatte (nur) meine Bilder auseinandergerissen und sie über das ganze Gebäude verteilt. Der Grund dafür dürfte ähnlich gewesen sein. Aber so konnte sie nun das Bild wirklich nicht ein zweites Mal noch weiter verstecken..
Auf den ersten Blick ist der Raum einfach aufgebaut: Ganz oben ein neutral blaugrauer Himmel. Die Wolken gefärbt von Grau-Rosa und Gelb gehen gutem Geschmack aus dem Weg. Der Vulkan ist farblich fast gleich geschaltet, hat aber deutliches Glanzlicht und das Braun der Rillen, die ihm Gewicht und Nähe geben. Das Umbra wird etwas dichter nach unten, während die konstante Farbigkeit jedoch einem Widerspruch von Struktur und Farbe Vorschub leistet. All das lässt den Berg knapp unwirklich lesen, deckt aber fast 2/3 der Leinwand ab. Davor besteht der rechte Fuss der ‚Wand‘ aus starkem Orange, die sich von hell bis tiefdunkel überlappen und mit der orangen Anspielung rechts räumlich der wärmste Punk setzt.
Der Fuss setzt das oben erwähnte Rad aus Kurven in Bewegung. Der beige Schatten und die rechten, orangen Flächen erzeugen einzig etwas, das klar 3-dimensional ,als Schlüssel für den Berg’ liest. Davor die, von vorne nach hinten, der Strasse folgenden, kleiner werdenden Tannen: Violett und Dunkelgrün stossen durch ihre Dunkelheit alles dahinter in den Hintergrund. Das Dunkel deckt teilweise die Terra Rossi Stämme ab, stösst sie so zurück, obwohl deren Beziehung mit dem Orange den Berg gleichzeitig nach vorne bringt. Der kaltgelbe, nach hinten versinkende Abhang, über dem die Tannen kleben und der nur durch ein paar Felsen stabil wirkt, endet in einem flachen, hellgrün bewachsenen, parallel zur Strasse laufenden Band. Nach der gelbgrauen Strasse eine Zitat des Hellgelbs, bevor der Abhang weiter in ein, von ein paar Tannen knapp gehaltenes Blau abrutscht. Dieser leuchtende, aber kalte Teil beendet das Rad. Die beiden weissen, die Strasse säumenden Linien bestimmen den Raum weiter über die Zeichnung. So entsteht eine erste Art Zusammenfassung von dem, was ‚Push and Pull‘ (BWV) an dem Punkt für mich heisst. Der untere Teil hebt den Vulkan, der sich oben in den Wolken auflöst.. Der Farbraum ,hängt an einem Faden’, aber das reicht ja schon..
‚No 13 Montana Winter Butes‘, ist 1987 in Seattle in Öl gemalt: Bei Dante ist die Hölle zwar vereist.. Aber an der Wand liest dies Bild vollkommen anders: Es scheint fast fröhlich und lebensbejahend.. Es gab da wohl eine doppelschneidige Klinge zwischen der offensichtlichen Kälte und der Freude, welche ich empfand, wann immer ich an Great Falls zeichnete. Die Wirkung ist eher so, als sei dies der erste Tag eines nahenden Frühlings, der all dem – bald – ein Ende macht. Das Eis ist gefährdet und wird so zur Metapher für Vergänglichkeit, so wie Raureif. [41] Bilder sind letztlich immer Partner und während der Arbeit bestimmen sie mit, wie sie gesehen werden wollen.
Das Bild kommt an mehreren Orten in diesen Texten vor, da es eines der ersten Haag-Bilder ist und ja, er war, wie auch bei den anderen, da. Im Original ist der Himmel uniform stahlblau und leicht dunkler. Das Weiss der Wolken mit ihrer grauen Unterseite, der Schnee auf den fernen Rockies und oben auf dem Bute, erstreckt sich weiter über die Ebene, wird nach einem hellgelben Spalt zunehmend Ocker bis hin zu einer braunockeren Erdverwerfung. Danach deckt er gleissend mit blauen Schatten das untere 1/3 bis in die rechte Ecke ab. Ein geschlossener Haag, der kleiner werdend sich in der Weite auflöst, folgt dem Gras aus uniformem Goldocker, danach folgt dessen Schatten einem Band aus dem gleichen weiss/blauen Schnee ins ferne Nichts. Nur im rechten Eck drängt noch ein Weg aus dem gleichen Umbra, wie das der Butes. Auch in diesem Bild erscheint in der Ferne links der gleiche Terra Rosso Hügel wie in Bild 11. Diese Farbe erscheint nochmal in den, dem Haag folgenden Gräsern und dem 3-Eck von Strasse. Die ,Zeichnung’ übernimmt das Gefühl von Tiefe. Himmel und Ebene bis zur blauen Linie unter dem kühlen Hellweiss scheinen mindestens traditionell. Der Vordergrund wirft dann aber alles durcheinander. Das Weiss vor der Erdverwerfung unterwirft sich dem Braun, der Vordergrund verliert seine Stärke. Ebenfalls bildeten zurückgedrängt Haag, Gras und Strasse einen eigenen Raum im Diesseits, der wieder, wie üblich, vorne Wärme zeigt, was der Kälte im ganzen Bild ihre Autorität raubt und sie, wie gesagt, so endlich wirken lässt. Auch dies war eine Intuitive Suche nach einem vieldeutigen Farbraum, der das eigentliche Thema des Eis’ relativiert und einen in seiner Fast-Fröhlichkeit widersprüchliche Doppelbödigkeit zulässt. Tobi hat sich das Bild im Tausch gewünscht und so hängt es jetzt bei ihm..
Santa Fe war in vielerlei Hinsicht eine herbe Enttäuschung, aber der ideale Ort, um die ‚4 Corners‘ [42] zu bereisen. Nachdem man mir erklärt hatte, alle Ölbilder müssen dort auch aus der Nähe lesen, verbrachte ich den Sommer in Basel, wo ich schon eine kleine, gut beleuchtete Mansarde bereit hatte, zu der ich etwas später permanent zurückkehren würde. Ich musste ja erst mal wissen, ob ich in der Stadt meiner Jugend wieder würde atmen und malen können.. Meine Mutter hatte mich zurückgerufen, weil mein Neffe durch das Mobbing in der Steiner Schule sich jedem und allem, ja selbst ihr, verschlossen hatte und sie nicht mehr weiter wusste. Ich führte den Sommer über diese 4 Bilder problemlos aus und kam weit genug mit Steffi, dass er schon mal bereit war, mit mir ins Kino zu kommen. Allerdings, grosse Gespräche gab es an diesem Punkt noch keine, aber er bildete schon mal ganze Sätze, was bei mir nicht so gefährlich war wie bei meinem Vater..
N0 14 – 17 waren im Herbst dann fertig und ich wieder zurück in Santa Fe, wo mein Galerist sie ausstellte. Mein humorfreier Freund konnte nicht anders, als zuzugeben, dass diese jetzt auch aus der Nähe lasen, weil sie ganz allgemein ‚funktionierten‘. [43] Die 1993 Rückkehr nach Europa bedeutete für mich dann, Lasierungen als Basis zukünftiger Arbeit zu akzeptieren. Mit etwas Zeit wären diese Bilder in Santa Fe zu verkaufen gewesen, aber den Galerien im deutschen Raum passte hier nun weder die Präzision noch die innere Ruhe. Hier wären die Seattle Bilder kommerziell schlauer gewesen, aber ich hatte Kontinent und Stil hinter mir gelassen und kein Interesse, etwas zu verkaufen, dass ich eben nicht mehr war. Noch nicht.. Es gab zudem einfachere und lukrativere Wege, in der Schweiz zu Geld zu kommen; zum Beispiel als ,Dramaturg für die Bühne’ im Ballett Basel, wo ich auch 12 Jahre blieb..
Der Weg von Santa Fe nach Europa führte aber erstmal über OZ [44], über Australien, wo ich 74 Arbeiten auf Papier ausführte. Wie gesagt, werden in ‚7 OZ’ die 12 Ölbilder der Sternzeichen unter dem Titel ‚Die Mechanik visueller Metaphern im Affekt..‘, als Weiterführung des ,Ergo Sum’ Textes ausführlich besprochen. Die Rolle von Metaphern in meinen Texten wird ja in diesem ersten Teil der 3 ‚Prozess Texte‘ ausgeführt. Bei den Sternzeichen geht es um die Weiterführung dieser Ideen in meiner Bildsprache. Im 20. Jahrhundert ist das Thema von Malerei Farbe an sich. Wobei gerade Picasso die Rolle von Metaphern im Prozess nicht unterschätzte: Bei ihm erscheint Hitler als die ’Katze im Taubenschlag’, oder ganz allgemein, als ‚Katze mit Vogel’ [45]. Nicht, dass wir sofort an Hitler denken, das war ja auch nicht in seiner Absicht; was bleibt ist ein Gefühl von Gefahr, als Echo der Geschichte dieser Bilder.
Hier, im 3. Teil geht es nun um Farbe, Raum und Präzision.
Was nach 1994 in Basel erstmal rein technisch geschah, war, dass Pinsel und Fläche sich durchmischten und ich so zu dem Stil fand, den ich seit London gesucht hatte. Mit der OZ-Serie hatte ich meine Wanderjahre abgeschlossen. Ich hatte von nun an die Mittel, um genau das zu sagen, was ich wollte, was die Astrologie-Serie und die folgenden 11 Bilder dokumentieren.. Aber zunächst mal mass ich den Stand der Dinge in Montreux. [46]
Meiner eignen Tradition entsprechend führt die Entwicklung von Farbe in der Zeit nach Van Gogh über Jawlensky zu Rothko: Eben in London angekommen, war wohl die Gleichzeitigkeit der ‚Mogul-Miniaturen [47] mit den Ideen des Abstrakten Expressionismus [48] entscheidend. Erstmal war der Prozess rein intuitiv. Ich wusste, dass da irgendwo ein Durchgang war, fokussierte aber auf die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Disziplin. Vor allem hatte ich einerseits am ‚World of Islam Festival‘ die ganze Mogul-Kunst studieren können. Anderseits entdeckte ich auf dem Weg zum BA Kurs den Teil der Seagram murals [49], den Rothko’ dem Tate vermacht hatte. [50] Die Idee, in sich widersprüchliche Farbräume, welche trotzdem lesen, auf eine sichtbare Landschaft zu projizieren, beginnt von hier an in mir zu rumoren. Nach ‚No 1 4103 NY 1978‘, also mit den ersten Lasierungen, wurde das dann akut. Mit der Zeit begann dieses Gespür aus dem intuitiven ins bewusste Malen zu steigen… [51] Zwischen dem fernöstlichen Pinsel, den Mogul-Farbräumen und Rothkos Grammatik, ergab sich so ein Kollektiv von unintegrierten Gesichtspunkten, welche auf mich wirkten und im Montreux Triptik (No 30 – 32) Ihren Ausdruck finden. Diese Herausforderung erlaubte mir, eigene intuitive Lösungen zu finden. [52]
No 14 – 17: Diese 4 Leinwände bilden ein eher komplexes Doppel-Dyptique: Ihr ,Inhalt’ ist im ‚6 Santa Fe‘-Ordner besprochen:
No 14 und 15 sind beide an der Cerrillos Road südlich von Santa Fe in Richtung Galisteo entstanden. No 14 sieht nach Süden ins Galisteo Basin und sein ‚Reserve‘. No 15 sieht nach Westen zum Cerrillos Hills State Park; beides auf ihre Art Energiezentren [53]. Im ‚6 Santa Fe‘-Ordner steht weniger über diese beiden Blätter, weil ‚Inhalt‘ hier weitgehend Farbe ist und sich so in erster Linie über den Malprozess eröffnet. Santa Fe-Spiritualität ist im Guten wie Schlechten legendär und ich wollte mich hier ganz bewusst mit seiner ‚Energie’ auseinandersetzen. Aber darüber sollte man nicht schreiben..
No 14 zeigt Weite und Gelassenheit einer Jang [54] Energie. Der Himmel besteht aus etlichen Lagen von variiertem Blau: Dunkel oben bis zu einem gelblichen Band am Horizont. Ein paar dünne Schleierwolken verstärken die Ruhe eher. Die Tiefe scheint endlos und friedfertig, einzig eine kleine Wolke ganz rechts über dem Horizont zeigt, dass dieser Zustand nicht permanent ist. Lasierungen werden hier zum ersten Mal ausgereizt. Etwa im unteren 9tel erstreckt sich die gewaltige Schale des ‚Basins‘, mit seiner Urmutterkraft. Dieser bewachsene Teil unten ist durch vielschichtige Pinselarbeit gekennzeichnet, was dem Bild die nötige Schwerkraft verleiht. Dieser Gegensatz macht den Raum. Ganz hinten rechts, eher in der Mitte, drängen im Blau ein paar wärmere Hügel nach vorne. Vorne schliesst sich dann dieser Kreis über nahe Hügel, welche in der Ferne jeweils ihr Gegenüber finden.. Eine leicht belichtete, wärmere Mesa zeigt, wo Galisteo liegt. Blass-orange Hügel fast vorne ergänzen diesen magischen Kreis.. Dunkle Kanten rahmen die zwei durch eine Senke geteilten blauen Hügel im Vordergrund. Ihr kaltes Gelb schiebt trotzdem alles dahinter ins Weite. Kaltgrüne Büsche dem unteren Bildrand nach brechen den Farbraum weiter.. Er ist vieldeutig angelegt und verschiebt sich, je nach dem, wie man ihn im Moment gewichtet. Fast ist das Bild leer und langweilig und das ist gut so..!
No 15 soll ein Gegengewicht dazu sein: Die vielen hellblauen Lasierungen im Himmel werden von den Cirrus Wolken beinah abgedeckt. Diese Formationen geht oft mit Phantom-Regen einher [55] und so herrscht hier eine kompakte Dynamik: Wolken sammeln sich am Horizont über einer blassen Hügelkette in der Ferne und näher zeigt sich eine Kamin-Mesa in warm-blassem Orangerot. Davor drängt von links ein höherer Hügel, farblich eher Blau mit preussisch-blauen Pflanzen-Linien, ins Bild. Er verbindet sich über eine Senke mit einem zweiten, ähnlichen Hügel, der uns, obschon blasser und kühler, näher erscheint. Ein tief-blaugrünes Band strebt dahinter erst weg von uns, um dann das Auge parallel zum unteren Bildrand zum rechten Rand hinzuführen. Davor versammelt sich eine Serie kalt- und warmgelber, dunkler Büsche mit klaren Ästen und fleckigem Laub. Ganz unten zieht noch ein weissliches Hellgelb zum rechten Bildrand.. Letztlich widerspricht sich der Raum also, wo er nur kann.
Den blassen Hügeln, welche die ferne Weite bestimmen, ist ein einzelner Baum gegenübergestellt, über den das Auge alles andere einordnet. Seine Wurzel liegt unterhalb des unteren Bildrands, die Äste wachsen nur am oberen Fünftel, über den oberen Bildrand hinaus.. Der Baum ist letztlich nun ein vertikaler ,Haag’, der den Betrachter jenseits des Bildes hält.’
3 abgebrochene, tote Äste verweisen auf verflossene Konflikte. Oben formen die Äste eine Krone mit Tiefe. Das Phallus-Zitat ist dank der Schlankheit des Stammes nicht zu offensichtlich. Es ist derselbe Tag wie bei No 14 und die kleine Wolke unten am rechten Rand dürfte Teil dieses Systems von No 15 sein. Alles hier ist geladen, ist potenzielle Energie, die sich sammelt. Die Widersprüche fallen nicht ins Gewicht, drehen aber weiter an der Kraftschraube. Auch hier ist der bewachsene unterste Teil durch tanzende Pinselarbeit gekennzeichnet. Die Bilder sollten etwa 3 Meter voneinander entfernt hängen.
Während No 14/15 Energie als solche vor uns entstehen lässt, beschreiben No 16 und 17 einen kulturellen Bogen, zielen also einerseits auf die human-politische Seite des Ortes – und diese ist weit weniger versöhnlich. Dazu mehr im Text in ‚Ordner 6 Santa Fe‘. Auf der anderen Seite haben beide dieser durch den Wolf gelassenen Minoritäts-Kulturen, eine eigene Kraft und Würde. Für beide wächst diese aus dem Land, auf dem sie seit Generationen gelebt haben. Dies sichtbar zu machen, ist hier die Absicht. Eine der beiden Pflanzen, welche diese Gegend wieder erhellen könnten, ist die Wacholder-Tanne, welche, verstreut übers Land, dieses räumlich beschreibt. No 16 ist ein ,Kugelbild’: Der grosse Tannen-Hügel wird oben zum Erdenrund, das eine unsichtbare untere Hälfte erahnen lässt, was ihn zur Kugel macht. Ganz hinten sind die Sandias bei Albuquerque zu sehen. Links, etwas deutlicher, ein Bergzug, vorne ein Teil der Cerrillos Hills. Darunter, unsichtbar, eine Türkis-Mine. Zwischen den beiden Hügeln liegt ein Sattel, wie ein Pass: Wir sehen den linken ‚Hoger’ von hinten und den rechten von vorne, beide mit Wacholder-Tannen. Von der Mine unten wachsen diese ebenfalls auf den unteren Bildrand zu. Über diesen erstreckt sich eine kurze, steinige Wiese, hauptsächlich mit kaltem Hellgelb. Mit Ausnahme dieser Gräser wäre das Bild beinahe üblich: Der Teil der Kugel, den wir sehen, glüht in einem Ocker/Orange und hat dort ein tannenfreies Band. Zwischen dem kalten Vordergrund und dem schwanger-goldenen Mittelgrund liegt ein Hain ca. 1 Meter hoher Wacholder-Tannen aus sattem, kühlem Grün mit Schatten ums Geäst. Die Tannen auf der Kugel in der Ferne lesen blasser und blauer. Das Push/Pull macht den Eindruck, als ob der Hügel sich ausdehnt und erhebt. Dieser Himmel ist weit oben leicht bedeckt. Davor tanzen die Cirrus Wolken des Phantom-Regens und dem Horizont nach unter zwei Schichten Cumulus Wolken. Auf den milchigen Lasierungen tanzt filigran ein Pinsel. Lasierungen bringen den Hügel zum Glühen: Das Land lebt und bringt sich zurück..
No 17 hat denselben Himmel, Wolken und Phantom-Regen wie No 16. Die deswegen anhaltende Trockenheit des Frühlings lässt Lippen und Erde aufspringen und die Blumen blühen. Hier kommt nun der andere Retter des Erdgrunds ins Spiel und zwar gleich als kleine Armee: Die Choia, die Röhren-Upunzie.
Man sieht keine Bilder von Santa Fe mit Blick nach Osten: Die ‚grossen Ebenen’ dahinter treffen erst weit nach Dallas (Texas) wieder auf ernsthafte Hügel. Zwar hat es noch ein paar Erhebungen, aber diese sind das Ende vom Lied.. Fahlorange und Hellgelb mit noch kälterem Grün bestimmen, abgesehen von den paar blaubraunen Hügeln und Senken, den Hintergrund. Davor ein hellgelb/giftig-grünes Feld. Dazu setzen sich dunkelgrüne Hügel ganz links und ganz rechts wie Kulissen in Szene. Von links schiebt sich im Schatten einer Wolke ein kleiner Wald mit Büschen ein. Um seine dunkelgrünen und tiefvioletten Konturen mit den Terra Rosa Stämmen, übernehmen verstreute, orange Flecken den Farbton des Hintergrunds. Rechts davon, etwas näher zu uns, steht eine Tanne mit warmem Gelb. Sie scheint ein Betrachter zu sein, wie wir auch. Von der dunklen Zäsur her erstreckt sich ein kalt-hellgelb/grünes Feld mit den fast schwarzen Upunzien auf uns zu. Unter und vor den Upunzien öffnet sich ein Meer von roten Blumen, die den Eindruck erwecken, sie tropfen wie Blut von den Stacheln der Choias. Wenn auch auf Umwegen, zitiert das Wäldchen Da Vincis Abendmal irgendwie.. So liesst das katholische Programm etwas stur und der Farbraum auch. Das unveränderte Hellgelb vom Horizont bis zum unteren Bildrand, gibt dem Raum etwas Verzweifeltes, Sinnentleertes. Nur das Orange in der linken unteren Ecke reisst die räumliche Leine.. Olla!
No 18 – 29 sind die 12 Australienbilder, die sich an den Sternzeichen orientieren. Sie werden im Ordner 7 OZ unter ,Die Mechanik visueller Metaphern im Affekt..’ (Sternzeichen stehen unter Bildern) diskutiert. Dies ist, wie schon erwähnt, Teil 2 zum Thema Prozess. nun auch noch die Farbräume in diesen Bildern zu diskutieren, wäre dann doch zu viel des Guten. Wer diesen Text bis hierhin gelesen hat, sollte dies auch so tun können.
Hier kommt in meiner Entwicklung nun etwas grundlegend Neues, das sich bis zu No 34 noch verstärkt und dann verselbständigt. Die widersprüchlichen Farbräume sind immer weniger ’konstruiert’ und sind ab No 35 kaum noch ‚nachzuweisen‘. Mit No 34 geht das knapp noch, wird aber sehr aufwendig. Schon in Australien gibt es hierfür mehr als nur Anzeichen und in No 14 – 17 (Santa Fe) lösen sich die Farbräume bereits von der Idee des unmittelbaren Push und Pull. Ich habe es beibehalten, weil man da noch darüber reden kann. Jetzt bei No 30 – 32 wird all das viel verspielter und benutzt diese Idee in einem grösseren Zusammenhang. Die ‚nachvollziehbare Unwirklichkeit‘, wie Rothko sie ja erfunden hat, entsteht aus einer Bandbreite von, sagen wir mal, ‚Tricks und Kniffen‘. Was beschreibt und was sich entzieht ist oft dasselbe. Ich meine, dass alles was ich bis zu diesem Punkt versuchte sichtbar zu machen, immer noch arbeitet, nur werden die Spielregeln intuitiver.
No 30 – 32, das ‚Montreux Triptychon‘ ist für 3 Wände beispielsweise eines Esszimmers beabsichtig. Ich malte es 1996 in meiner Mansarde in Basel; die Zeichnungen dafür entstanden im Herbst 1994. In den beiden Flügeln geschieht etwas für mich Richtungsweisendes, so sind letztlich alle drei auf ihre Art Schlüsselbilder. 1997 landete ich dann im Spital..
No 31, der Mittelteil, zeigt jene Freude, der bekanntlich nichts widerstehen kann.. Himmel und See sind, wie bei allen Montreux-Bildern, lasierte Oberflächen. Das Wasser ist ein Manganblau, der Himmel eher Ultramarin.. Am Berg sieht man vereinzelte Spuren von warmer Farbe in einem Meer von kalt-hellem Grün und dunklem Grün/Blau als Struktur. Am unteren Teil des Himmels hängen transparente Cumulus als Übergang zum Schnee, der die obere Hälfte des Gramonts im Griff hat. Linien von hellem Gelb stürzen in Richtung See, auf dem die weisse Spiegelung hin zu den kleinen Bäumen eine Verbindung schafft. Die niedrigen Blüten vor dem Abhang zum See nehmen das Weiss zwar wieder auf, sind aber Hellgelb durchschossen. Nur die Stämme dominieren mit ihrem Schwarz das Gefühl von Nähe.. Links und rechts schwingen sich blühende weisse Äste in den Himmel, um dort auf Wolken zu treffen. So ist das Bild ‚doppel-gerahmt‘. Die Dunkelheit der Felsen über dem leichten Hellgrün liest als ein Ungleichgewicht. Dies Hellgrün verdichtet sich am Diesseits der Rhonemündung, deren noch kältere gelbe Farblichkeit, wohl wegen der Zeichnung, als weiter vorne verstanden wird. Nur das Weiss der Bäume schiebt das Jenseits weg vom Diesseits. Fläche und Tiefe widersprechen sich.. Die dichteste Wolke liegt im oberen rechten Winkel, was all dies noch weiter unterstützt. Die Wirkung ist jener Frühlingstaumel, der das Herz öffnet.
Bei No 30 und 32, also in den Flügeln, fehlt diese positive Energie: Die linke Seite ist in schmutzigem Orange gehalten, die rechte in weisslichem Grau/Blau. Diese komplementäre Beziehung beidseits des Weiss stört fast, bleibt aber durch das Weiss in den Himmeln verbunden.
No 30 (Orange) definiert sich in den oberen 2/3 über Lasierungen: Himmel, Berge und See (mit diesseitigem Ufer) leuchten in den sich überlagernden Schichten und erzeugen Ruhe und Frieden.. Allerdings kann das gegen Ende Herbst auch bloss Erschöpfung sein. Das kalte Gras wirkt fahl. Das Grün der Bäume ist bunt angeschlagen. Die orange entzundenen, teils hellgrünen Blätter wirken müde über dem Gitter der schwarz gezogenen Äste: Hier wird Schwarz zur Warnung, wenn auch nicht so sehr vor dem Tod, wie vor dem Sterben. Ich arbeitete da schon für die Schweizer AIDS-Hilfe und so lag das Thema auf der Hand. Was erschreckt, ist die rücksichtslose Emotionalität der beiden Flügel. Die grosse Maxime der Deutschen AIDS-Hilfe, ‚Der Zeit Leben geben‘, kommt in den Sinn: Endlichkeit verlangt Leidenschaft..
Ein grau-weisser Himmel, der kaum Licht durchlässt, kommt auf uns zu. Darunter sind graufelsige Berge, zu Silhouetten reduziert, untermalt mit warmen Farben und Flecken von hellem Orange. Davor der See in fahlem Orange mit Nebel, der das ferne Ufer und die unteren Berge abdeckt. Ein heller, gelber Strich von zwei dünnen, graublauen Strichen eingegrenzt, schwebt mitten im See: Oben helles Orange, unten kaltes Lila. Das Wasser nimmt gegen unten ein leichtes Blaugrau an. All dies hat kaum Raum. Braun-grau-weissorange Kanten über dem Nebel.. Dann, diesseitig, die kalten Bäume mit den orangen Flecken rechts vorne. Diese täuschen eher üblichen Raum vor, wäre da nicht das eisige Blau der Wiese, die unheimlich wirkt.. Mal abgesehen von der horizontalen blauschwarzen Mauer, die das untere 1/6 abtrennt und von schwarzen Stämmen durchkreuzt wird, hängt dieser widersprüchliche Farbraum in einer Art von Nichts.
No 32, das blaue Bild, bietet diesem erschöpften Endspiel die Stirn: Der lasierte Hintergrund und der See sind mehrfach durchbrochen.. Regen schafft Unruhe. Das Schwarz der Bäume liest unstet, die dunkeln Äste funkeln und das Gras hat jenes Gelb/Weiss, das auf ein Ende hinweist. Die ganze Hoffnung ruht auf den fernen Kanten an Berg und Ufer, wo etwas Licht fällt.
Der Sturm macht den Pinsel zur stärkeren Kraft, dessen Spuren auch auf dem Wasser nach schimmern. Weiss tanzen die Wolken des auf uns zukommenden Regens. Der See ist hinten dunkler als vorne und hat in seiner Mitte ebenfalls einen weissen Fleck, diesmal allerdings einen langen, mit Linien aus orangem Patel an den Rändern. Der See ist beidseitig von Bäumen abgedeckt, rechts in dunklem Grün, links mit orangen Flecken. Auch der Garten liegt in einem schwachen Lichtkegel und liest deshalb fast schon bunt. Er hat Nähe, wäre da nicht wieder ein Blaugrün mit krankem Grünweiss, das bis zum unteren Bildrand reicht. Der Farbraum ist eine wilde Konstruktion, die über die unterschiedlichen Töne von Weiss dennoch liest. In Verbindung verschiebt sich die Wirkung der drei Bilder nochmal: Grün und weiss verbindet sie. Alle drei haben sehr unterschiedliche Anteile von Blau und Orange. Deshalb sollten sie nur mit Abstand nebeneinander hängen. Das Konzept war von Anfang an, sie auf drei Wänden im gleichen Raum zu zeigen..
Die Ölbilder von Route 66‘ (No 33) und die blühenden Kirschbäume in No 34 entstanden, während um mich mein Leben allmählich auseinanderbrach.. Ich hatte keinen Grund anzunehmen, dass Viren in meinem Körper explodierten, aber ich muss es wohl gespürt haben, denn beide Bilder zeugen von einem inneren Widerstand. 1997 wurde dann klar, wohin der Hase lief und so endete ich schliesslich für längere Zeit im Spital und dann, für noch längere Zeit, allein und schwach in meiner Mansarde, konnte aber, wenn auch nur in grossen Abständen, jeweils arbeiten.. Meine Mutter brachte Essen vorbei und mit der Zeit zeigten sich auch Freunde wieder. No 33 ist eine der späten Zeichnungen aus dem Südwesten der USA und No 34 die erste wieder zurück in Baselland. [56] Beide der über 2 Meter breiten Bilder benötigen ihre Dimension, denn nur so sind Blumen und der ‚Dustdevil’ links in No 33 erkennbar.. Hier verlangte ein übergreifender ‚Phantom Rain’ [57] im Himmel eine Gleichzeitigkeit von Lasierung und tanzendem Pinsel. Energie und Resonanz durchbrechen einander und bilden eine Einheit. Die Berge im ‚Gegenlicht‘ sind, ausser an den Kanten, in Lagen aufgebaut, bis sie aus sich tiefblau leuchten. Sie tun viel, um dem Himmel Paroli zu bieten. Der dünne Streifen Land mit der Strasse unten definiert deutlich den Raum. Der irdische Teil benutzt dieselben Techniken wie der Himmel, bringt aber Farbe ins Spiel und lässt den Pinsel komprimiert und ausgelassen tanzen..
Dunkel und mächtig stehen die Hügel in einem Wolken-Schatten, mitten im Bild. Rechts und links kontrastieren weiter hinten hellere Berge. Jenseits dieser Hügel sind, fast schon hinter dem Horizont, noch kleinere zu sehen. Rechts werden hinter den Dunkeln, hellere Bergzüge in zwei Lagen kleiner.. Vorne dann das Orange-Ocker/Hellgelb der Öde, durch welche sich die Strasse über einen Hügel in zwei Teilen schlängelt und sich schliesslich hinter ein paar kleinen Bäumen verliert. Ihr Grau, mit den Terra Rossa Verwerfungen, vor allem rechts, durchschneidet die Farbwerte der Ebene. Vorne, rechts von der Strasse, liegt etwas höher eine lila-orange Wiese, aus der blaue und rote Blumen bunt hervorschiessen. Die Ebene widerspricht sich und dann auch wieder nicht, hin zu den dunkel-leuchtenden Monolithen der beiden Berge. Viel Emotion und viel Leinwand sind in Bewegung gesetzt worden, und so bleibt das Bild geladen. Konventionalität wird dort eingesetzt, wo sie diese Spannung reduzieren soll. Der Wahnsinn dieser Wochen mit Wind ohne Ende wird spürbar!
No 34, die erste Zeichnung in der Schweiz, ist auch eine Rückkehr zum Ölbild No 3 oben und wird dort teils schon vorbesprochen. Irgendwie hat die Tatsache, dass ich trotz allen Anzeichen diese ganze Phase überlebt habe, dazu geführt, dass viele der kreativen Prozesse plötzlich stimmig, ja hin und wieder vermehrt bewusst wurden. Alles, nicht nur meine Arbeit, verschob sich ins Jetzt, die Zukunft wurde plötzlich relativer..
Trotzdem herrscht auf den ersten Blick in diesem Bild ausgelassene Fröhlichkeit, gleichzeitig aber auch wieder Ruhe. Meine Techniken verschoben sich erst mal deutlich: Ich begann, Schichten oft ,feucht auf feucht’ zu malen, so dass nicht nur das Licht [58] sie vermischt, sondern sie sich auch bis zu einem Punkt gegenseitig aufsaugen. Sobald trocken, kamen dann nächste Schichten hinzu.. Diese hochsensiblen Flächen reagieren auf die kleinste Verschiebung im Licht. Ab hier sind Bilder konstant im Flux, je nach Ablauf des Tageslichts und meine Arbeit wird sowohl flüssiger, wie auch konzentrierter..
Das Schwarz/Weiss der hier nun wirklichen Baselbieter Kirschbäume, findet zu seinem ureigenen Drama: Ein aus diesem tiefen Blickwinkel flach aufs Land gelegtes Kreuz aus Bäumen ergibt sich einerseits aus den vom Vordergrund nach hinten platzierten Stämmen und anderseits aus der Linie von Bäumen, welche horizontal über die ganze Breite der Leinwand ziehen. Die vielschichtigen Lasierungen des offenen Himmels lassen das Bild tief durchatmen. Die Ebene, auf der die Bäume stehen, hat das kühle Grün eines Frühlingsmorgens. Das Feld wird über einen ‚komprimiert-tanzenden‘ Pinsel geerdet, aber auch hier kommen, am Rand sogar sichtbar, unter dem Pinsel Lagen ins Spiel. Hinter dem Kreuz steigen, nach einer nicht sichtbaren Senke, die beiden Hügel auf. Rechts zieht der Gempen mit seiner Fluh, etwas weiter dann von einem Bergzug begrenzt, ins Weit: Die kalt-hellgrüne ‚Wunde‘ der Schönmatt mit ihren Kirschbäumen schneidet den Berg horizontal durchs grundsätzliche Kaltblau mit Lila Einschüssen. Davor das mit ‚Vermillion‘ [59] aufgebaute Dunkelrot/Rosa des eben ausschlagenden Waldes.. Diese farbliche Illusion, welche das junge Grün mit dem Braun der Stämme auslöst, ist in dieser Jahreszeit in meiner Heimat typisch und gleichzeitig in sich schon eine Art Referenz zu Rothko oder Seurat. Zwischen dem nahen Rot und dem davon strebenden Blau scheint sich eine weitere, vom ersten Hügel abgedeckte Senke aufzutun. Es entsteht ein Eindruck, als ob dort ein zweites Kreuz zu liegen kommt. Diese Idee lässt in der Vorstellung zu, dass Vordergrund und Berge sich ineinander verschieben.. Nicht als ,Aha-Erlebnis’ angelegt, sondern bestenfalls als ein Nachgedanke, entsteht so eine leichte Zeitverschiebung, was sich auf Englisch, ein ‚Double-Take‘ [60] nennt. Dies bereitet die Emotion, welche in Lagen von unterschiedlichem Weiss den Himmel ‚füllenden‘, wirbelnden Blütenblätter vor. Sie fallen, im Gegensatz zu No 3, nur bei einem zweiten Hinsehen ins Gewicht und sind so weit weniger offensichtlich. In No 34 lösen diese fliegenden Punkte den Raum vielleicht nicht so radikal auf wie in No 3, aber ihre Wirkung ist, wenn auch subtiler, die gleiche, nur dass man hier in Schüben die Orientierung verlieren kann.. Ein Farbraum im üblichen Sinn ist hier also eigentlich nicht mehr auszumachen; und trotzdem bleibt er das Thema..
In No 35 sieht man bei Lincoln, OR nach Westen und in No 36, etwas weiter oben, dann zurück nach Süden, und in beiden übers Meer. Im Text ‚4 NW Seattle‘ steht: „In No 35 könnte man ganz links über die Dünen von 34 (-> Oils) sehen..“ Beide Studien sind 1995 während jener Rundreise bei Mike [61] in Lincoln City entstanden..
No 35: Ausser dem kleinen Dünen-Wäldchen ganz rechts ist fast alles lasiert, was dieses zur Erdung macht. Inzwischen geht es dabei allerdings um ein Ausbalancieren unterschiedlicher Techniken, einschliesslich Lasier-Techniken. Denn selbst diese Bäume bauen sich letztlich aus Lagen von Grün und Zitronengelb mit dünnen, dunklen Strichen und Flecken auf.. Wir reden von nun an über oft mehr als 40 Schichten [62] und subtil aufgebaute, überlagerte Farb-Kanten. Diese entsprechen, obwohl anders geartet, Rothkos Farbaufbau und sind dementsprechend ,nervös in ihrer Ruhe’.. Selbst das Format der Leinwand ist extrem, tut aber, was es soll..!
Dem grauen Himmel unterliegt ein leises Orange, das sich auf dem feuchten Sand als ein dunkleres Lila/Blau-Grau spiegelt. Gelbweiss vereint als Licht den Horizont, mit den in die Bucht einbrechenden, hellen Wellen und den flachen Schüben von erstem Wasser im Vordergrund. Rechts streckt sich eine Sanddüne bis ins Meer. In einer Senke auf halbem Weg sehen wir, weit weg, einen kleineren Hügel in etwas wie Licht. Am rechten Rand, ganz nah, der bewaldete grüne Hügel, mit etwas gelbem Sand als Basis. Dieser ist über ein paar Felsen mit der Lücke verbunden, durch die die Flut nun herein drückt. Auf dieses lange Format reduziert, ist dies ein Sehnsuchtsbild. [63] Sein Farbraum ist so subtil wie das Bild als Ganzes. Die Emotionen sind zwar klar, aber vielschichtig.. Es ist wohl das erste Bild, das sich offensichtlich mit fernöstlichen Vorstellungen und Werten abgibt: Ruhe, Gleichmut und Zurückhaltung entstehen als Konsequenz einer Reduktion. Allerdings kein Minimalismus, sondern eine kompakte Leere, welche sich auf Distanz hält und Grenzen vorgibt..
No 36 benutzt ebenfalls unterschiedliche und neue Arten von Lasierungen und das selbst im kleinen, grau/schwarzen, sandigen Anflug von Halt unten links. Im Gegensatz zu No 35, fällt kaum Licht aufs Wasser. Ein Hauch von Gelb im Hell und weit draussen auf dem Meer zeigt, dass dies wohl eher Dunst als Nebel sein dürfte. Der tanzende Schaum auf dem Wasser liest ‚geladen‘.. Auch er ist meist feucht auf feucht aufgebaut. Ich bin bei einer Einfachheit angekommen, ohne dass das Bild hübsch oder süffig lesen müsste. Nur die über die Dünen verstreuten Büsche lassen einen nötigen Hauch von Erdung zu. Die Sanddünen geben dem Wasser etwas, gegen das es, wenn auch seltsam sanft, brechen kann.. Wie No 35, tut das Bild, was es soll: Die ‚Ruhe der Ebbe‘ dort, wird hier nun durch eine sich bewegende Emotionalität von Wellen ersetzt, welche sich nicht aufhalten lässt.. Die Leere schleicht sich diesmal durch die Hintertür ein und lässt die ebenfalls offensichtliche Leidenschaft auflaufen..
Oben ein blasses Blaugelb, dass zu einem Orange-Gelb und Weiss mutiert. Nach einer hellen Linie am Horizont ziehen sich diese Farben weiter, wenn auch die Schatten den Wellen ein dunkleres Blau erlauben. Danach verdichtet sich dies, über ein Mangan- bis zu einem preussischen Blau, durchbrochen vom weissen Schaum der wirbelnden Wellen, welche nach vorne grüner werden, um über das Grau des Strandes zu fliessen. Dahinter die Düne aus No 35 und die Höhen über dem Meer mit Mt. Humbug, welche durch eindringenden Dunst aus den näheren Hügeln geteilt werden. Das Bild ist blau, mal hell, mal dunkler, mit einem Strich aus Ocker dem gegenüberliegenden Ufer nach.. Und etwas Grau an dieser Seite. Warum auch immer, liest das, ob es nun ein Farbraum ist oder nicht.
Auch No 37 und No 38 sind 1995 während jener Reise, in der ich mich vom NW der USA verabschiedete, entstanden – hier von Great Falls, was in Montana liegt, und damit auch von Ken. [64] Beide Bilder werden in ‚5 Montana‘ zusammen mit ’12, Montana Winter Butes’ und ‚18, Fields of Gold‘ unter ‚Zäunen‘ besprochen. No 37 und No 38 sind Orte, wo ich über die Jahre immer wieder gearbeitet hatte: No 37, gerade westlich von Great Falls, mit dem Blick nach Nordwesten und den Rockies. Und No 38 sieht südlich und von oberhalb über jene, von Sting besungenen ‚Fields of Gold‘, die Gerstenfelder für die Bier-Brauereien in Milwaukee..
No 37 zeigt nochmals jene Aussicht westlich von Great Falls, wie schon No 12 (Winter Butes): Kaum mehr als ein paar dunklere Pinselstriche links im Gras sind vom Haag im Eis geblieben. Der Himmel liest fahl und beleuchtet gerade noch den Hintergrund, der dank seiner helleren Farblagen entrückt schimmert, sodass ein Gespür einer Grenze zum Mittelgrund entsteht. Nun ist es der Raum selbst, der hier trennt. Der Farbraum scheint einerseits fast banal: Hinten, kaum sichtbar, erheben sich die Rockies.. Davor schimmern die beiden Butes in Pastell-Licht. Nach einer Linie von Weissgelb leuchten ein paar ‚Fields of Gold’, trotz des Schattens, in Orange und kaltem Grün.. All das stösst und zieht den Raum gerade genug, damit in der Ferne ein ‚Nicht von dieser Welt‘ entsteht. Davor leuchtet eine unterbrochene Linie von warmem Grün und teilt das Bild. Wie ein Schnitt folgen darauf lichtlose Felder mit Grün und Linien von Ocker-Orange, was den Eindruck schafft, dass diese Ebene höher und näher, und deshalb im Dunkel, liegt. Sie wird weicher bis zum Gras fast ganz vorne, das all die Farbbeziehungen noch einmal zitiert. Die ganz kalten, gelben Flecken ganz vorne links verdoppeln den Eindruck von ‚passivem Licht‘, das den Hintergrund wegstösst.. Der Raum hat eine ähnliche Magie wie gewisse Mogul Miniaturen. Es entsteht eine eigene Wirklichkeit, von der wir möchten, dass sie existiert..
Bei No 33 – 41 wird das Problem mit der Photographie nun eher akut und nicht nur, weil das Öl hin und wieder spiegelt. Diese Art von Sensibilität gegenüber Licht weicht der Kamera aus, ganz gleich, wie schlau Photograph und Nachbearbeitung auch sein mögen. Man stösst hier schlicht an Grenzen und das ist auch gut so. Aus dem Grund bin ich deshalb einer Website solange ausgewichen.. Kein ‚Abbild’ entspricht letztlich dem Original. Es gibt zwar ‚Tricks‘, dies zu verbessern, aber schon die Eigenheiten des Computers eines Besuchers wird all das wieder über den Haufen werfen..
Die Leinwände werden nun wieder grösser, weiter und der Farbraum verweigert zunehmend jede Einsicht. Die Bilder zwingen den Betrachter, seinen Griff am Bild zu lockern, etwas, das wiederum nicht unbedingt meiner Zeit entspricht. Eine Gruppe von Freunden, die mehrmals im Jahr zu Festen bei uns kamen und jedes Mal an der kleinen Ausstellung im Treppenhaus vorbeigingen, brauchten 5 Jahre um zuzugeben, dass da erstens Bilder waren, dass sie diese, zweitens, ‚gesehen’ hatten und, drittens, dass sie da sogar was gemocht hatten! ..Meist mit dem Zusatz ‚von Anfang an‘! Gerade was diesen Arbeiten an Süffigkeit fehlt, erlaubt über Zeit so was wie Nähe..
No 38 ist ein Schlüsselbild: Das Ölbild schaut von Norden her nach Süden in Richtung Great Falls zurück [65] Die Wirkung des Öls hier ist spannend, wenn auch etwas anders, als das etwas ausgeglichenere Bild an der Wand. Im Text ‚5 Montana‘ steht: ..In der Senke zwischen den ‚Fields of Gold‘ liegt, von ein paar Bäumen ersetzt, der (nicht gezeichnete) Hof ‚Eden‘, was für sich selbst spricht.. Der Haag ist sicher wieder eine Abgrenzung, jedoch öffnet diese sich auf der linken Seite, gewährt Zutritt.. Technisch besteht das Bild, Himmel wie Erde, aus sehr vielen Schichten, die auch hier, mit den sich verschiebenden Lichtverhältnissen, jeweils ein etwas anders Bild entstehen lassen. Wie immer, verlangen also auch zeitgenössische Ölbilder von einem Zuschauer Zeit, will heissen, Aufmerksamkeit! Nur sind wir heute schnelllebiger geworden und es braucht Kraft, hier auch mal zurück zu schalten! Nur meinen beiden Techniker-Freunden kam es je in den Sinn, sich hin und wieder mal für eine halbe Stunde in einer der Landschaften zu verlieren. Interessanterweise konnten etliche der Akademiker, konfrontiert mit diesen grossen Bildern in einem üblichen Innenraum, den Machtverlust, den diese auslösen – die unausweichliche Notwendigkeit einer Hingabe – meist nicht ,verwinden’.
Der Farbraum von No 38 hat Witz, besteht er doch hauptsächlich aus ni
cht sehr variierten Feldern ausin Ocker-Orange-Gelb,wo Lagen über Lagen, Farben sich vermischen, sodass die Schichten sich stossen und ziehen. Hinten links, ein Paar blassblaue Berge, davor eine Serie von 3 Hügeln, die etwas ‚kultisches‘ an sich haben. Nach einem kaum sichtbaren Hügelzug, ein paar winzigen Bergspitzen, ziehen zwei flache Butes und ein ferner Berg zur rechten Bildhälfte. Nach einem durchgehenden, dünnen orangen Strich kommt von rechts die grüne Senke, in der der Hof, umgeben von ‚Gold‘ zu sehen wäre, würde seine Gegenwart das Bild bereichern. Davor und dahinter diese endlos-riesigen Felder mit der Spur eines Weges auf der linken Seite, die sich in dem schon verflachten End der Senke verliert. Der Weg hat in diesem Fall eine Hai-Ku-artige Qualität. Er beansprucht keine unmittelbare Bedeutung, mal abgesehen davon, dass er da ist. Der Haag buchstabiert vor allem die Tiefe des Bildes. Die tieforangen Flecken am rechten Bildrand verweisen auf ein härteres Diesseits. Der Raum ist ohne Zweifel ein Konstrukt, eröffnet sich aber nicht als ein Solches. Er kommt uns nicht entgegen, ‚ist‘ einfach und ist insofern sich selbst genug..Ist 33 ein Abschied von der Wüste, sind No 35 und No 36 beide ein Loslassen des Nordwestens und Pazifiks in Lincoln, Oregon.. In No 39 endet mein letzter Irrweg auf der Olympischen Halbinsel: Gerade dieses Ölbild der Makah Bucht, wo meine Freundin Isabell lebte, beinhaltet ein Akzeptieren von Trauer und Verlust, weil ich, als ich es dann endlich hier ausführte, begriffen hatte, dass es unumgänglich sein würde, in der Schweiz zu bleiben. Die Falle war zu; weglaufen lag nicht drin..
No 39: Makah Bay gibt es als Photo hell oder dunkel, aber keines ist genau – die Symphonie von Lagen-Techniken und Pinsel-Arbeit ist hier kaum noch auseinander zu halten. Inzwischen malen sich die Bilder fast schon von selbst. Dies Bild hat unüblicherweise als erstes und von Anfang an ‚gefallen’. Warum auch immer..? ‚11NW OPn 6, 1988; Near Ozette‘ steht in einem 90-Grad Winkel zu No 39: Geht man zwischen dem grösseren und kleineren Felsen nach links bis zum Ufer und dreht sich um, sieht man 11NW. Dieser Strand ist inzwischen für Weisse gesperrt und somit auch jeder Zugang zur Ossette Bay.
Das Bild bringt den Geist dieser Gegend auf den Punkt und man muss inzwischen seine Leichtigkeit vor dem Seattle-Mob auf jeden Fall schützen. Ich hatte also auch hier das Glück, im letzten Moment noch etwas mitzubekommen; was ja eines der Themen der Bücher ausmacht. Der offene Himmel sinkt in Lagen vom Blau in ein Weissgelb mit blauen Schlieren. Es ist Arbeit, dass hier kein Grün entsteht und es braucht die Spur von Hellorange, um den Himmel gegen das Meer abzugrenzen. Die wärmste Farbe ist also am weitesten weg. Das kühle Manganblau oben, uns am nächsten. Durch die Lagen entsteht, von einem Gelb/Violett gehalten, eine innere Tiefe, ein sich widersprechender Farbraum, der etwas Unheimliches an sich hat..
Das Meer besteht aus durch Lagen zum Leuchten gebrachtem Manganblau, was eine Beziehung zum Himmel erlaubt. Die braun/schwarzen Felsen sind gegen Abend von Westen beleuchtet. Das Orange-Ockere des sichelförmigen Strandes findet sich auf der Sonnenseite der Felsen wieder, ja färbt den Wald leicht. Diese Farbbeziehung wäre konventionell, würde sie mit der Distanz etwas verblassen. Aber auch auf den dunklen Felsen im Meer ist sie zu finden. Das Bild als Ganzes findet seinen Halt in der Spiegelung der Felsen in einer grossen, ganz flachen, fast schon Pfütze, durch die ein etwas breiter Bach ins Meer fliesst. Der Strand dahinter liegt tiefer: Kühles Hellblau, Lila, Gelb und Ocker lesen als Echo des Himmels. Die Felsen selbst erscheinen kompakt in Preussischblau und sind von hellblauen, kleinen Wellen durchzogen.. Das Bild hängt an der hellgelb/grünen Linie auf der entfernten Buchtseite, welche diese ‚pushed‘, um ganz rechts etwas gelber auf dem Strand wieder aufzutauchen. Der hellorange Strand unter der linken Hälfte des Felsens legt eine gezeichnete Tiefe ins Bild und schliesst die Sichel ab. Die Bäume sind zu komplex, um sie mitzunehmen, unterstützen aber das Gesagte. Viele der Besucher in meinem Studio wollen an diesen Ort. Ihn aber im Wohnzimmer hängen zu haben, ist scheinbar dann doch ein andere Sache..
No 40 wurde noch vor dem Tod meines Vaters in Montreux gezeichnet. Er gab dem Blatt, dem ‚Gramont Rouge‘, seinen Namen.
‚No 41 Les Dents du Midi‘ ist eine Hommage an meine Mutter, weil es ihren Blick aus der Küche zeigt und auch unser beider Beziehung zum Gebirge. Als mein Vater nach 10 Jahren die russische Oliven Hecke 4/5 reduzierte, traf ihr Blick plötzlich auf den Berg in der Ferne..
No 40: Das ,Rouge’ hier – echtes Karmin – ist im ‚Le Gramont Rouge‘, nur schwer zu fassen. Es reagiert ausgesprochen auf Licht und der Berg hat zudem noch viel Eigenlicht. Obwohl nicht zu deutlich sichtbar, entfaltet das Karmin auf dem Öl seine bestimmende Wirkung, wenn auch nicht immer und nicht sofort. Es ist immer irgendwie ‚da‘, sticht aber nur selten ins Auge, verdichtet sich jedoch mit der Zeit. Diese Art von Farbbeziehungen brauchen selbst in natura gutes Licht: Die Schichtung von Farbe geht an den Rand des Machbaren, vielleicht darum fanden einige der ‚schnelleren Kunden‘ die Leinwand nicht ‚auf der Höhe‘, was mehr über sie als über das Bild sagt. Sicher, das Bild sperrt sich und verweigert jede Süffigkeit und das, trotz des höheren Himmels [66] im Öl, welcher den Berg etwas entmachtet. Das Gestrüpp vorne besteht aus einer unüberwindbaren Barriere von wilden Brombeeren und ist somit die vorläufig letzte Umsetzung der Haag-Thematik. Hier ist kein Durchkommen! Das Jenseits verbietet sich in jeder Hinsicht. Ich weiss nicht mehr, wann genau ich die Studie gemalt hatte. Es muss ein paar Jahre vor dem Tod meines Vaters gewesen sein. Sie war aber sicher der Startschuss für die kommende Serie 2011/12 in Montreux.. Ich glaube, es macht keinen Sinn, den Farbraum hier gross beschreiben zu wollen. Er ist, was er ist..
No 41: Das Photo vom Öl ‚Les Dents du Midi‘ spiegelt leicht, oben rechts wie links. Wie gesagt, war dies, was meine Mutter von ihrer Küche aus sah; auch wenn ich diese Ansichten einen Stock höher ausgeführt habe. Es zeigt jenen, in ‚Auf der Suche nach einem schwindenden Planeten‘ [67] beschriebenen Moment, wenn das schon unheimliche Licht vom Wallis hinunter geströmt kommt und dem Gramont seine Erdung raubt. Die ‚Dents du Midi’ sind hier anders betroffen: Die Kraft ist erst im Kommen und gibt dem Berg eher Leichtigkeit, ja Eleganz. Die Wiesen vorne beim See leuchten apfelgrün auf, räumlich widerspricht seine Kälte dem orangen Nebel. Der warme Berg hinten ist näher als das Feld davor, was die Struktur der Zeichnung anders zeichnet, und dies ‚hebt’ den Berg. Die blaue Barriere der Berge links ist stärker, näher und zwingt den Raum oberflächlich in eine unwirkliche Eindeutigkeit, ist er doch die grösste und kälteste Fläche.
Die Abhänge rechts, vor allem jener zum Rauch des Feuers hinunter, setzen den Berg noch weiter zurück, während ein Hauch von kaltem Lila dem stärkeren Orange unten und hinten am Berg entgegenarbeitet.. Orange, Violett (Lila) und Blau sind die drei Sekundärfarben, die hier ständig gegen einander ausgespielt werden. All die endlos irisierenden Lagen erzeugen aus sich schimmernde Oberflächen, welche ebenfalls auf jede Verschiebung von Licht reagieren. Der dunkle Küstenstreifen mit der tiefblauen ‚Insel meines Grossvaters‘ macht eine Zäsur, welche das ‚Tor zum Wallis‘ weiter verstärkt: Ufer und Wasser sind kalt gehalten und nur die orange Spiegelung des Bergs im See bringt einen Hauch von Wärme aufs Wasser, was das Auge versöhnt. Trotzdem verwirren jede Menge expressive ‚Kanten‘ den Raum.. Die paar Tannen ganz vorne, gerade vor der Flaniermeile von Montreux, werden zum Hier und Jetzt, was den zeichnerischen Raum bestärkt und mit den Pinselstrichen eine überdeutliche Tiefe schafft. Hinten, auf oder bei der Insel irgendwo, soll einer der grossen Kraftorte Europas liegen und es hat mich immer verblüfft, wie diese Kraft an den Menschen, die dort leben, und ihrer Alltäglichkeit abprallt – aber vielleicht kann man sich nur so einen normalen Alltag dort leisten.. Anfangs liest der Raum des Bildes eindeutig: Genug banale Gepflogenheiten, wie die blasseren Berge zwischen ‚Zähnen‘ und blauem Fels, versichern uns! Letztlich ‚stört‘ nur die kleine Insel und die paar Bäume vorne. Kraft und Frieden schlagen eine Brücke zu Mt Shasta [68], aber viel hat sich seither geändert. Der Haag ist inzwischen ein See.. Mit einer Insel!
1. 4103 (NY) 1978
No 1, 1978 in New York während der Schulzeit gemalt, zeigt ein Feld südlich meiner Haustüre [1] in Bottmingen. Der Blick geht von einem Hügelkamm aus, weiter nach Süden. Das ursprüngliche Blatt zeigt zwei emblematische Bäume auf einer Wiese. [2] Kaum in New York angekommen, hörte ich, das Feld sei überbaut worden..
2. NYC Rd Great Gatsby 1982
No 2, in Rhode Island gezeichnet und 1982 in NYC gemalt. Im 1. Kapitel von ‚Verführung‘ sitze ich auf einem Barstuhl und schaue über den Hudson einem grünen an/ab-Licht am anderen Ufer zu. [3] Dies mahnte mich an den Schluss von ‚The Great Gatsby‘. A.P. Ryder hat uns gezeigt, „..dass schlechtes Zeichnen grossartiges Design sein kann..¨“ No 2 ist 2.13 x 1.45 Meter..
3. Öl 4103 (Sttle) 1984
No 3: 1980, gerade nach dem Tod meiner Grossmutter [4] in Bottmingen gezeichnet, dann 1984 in Seattle in Öl übersetzt, sollte wichtig werden. Die Trauer liess mich jedes Interesse an ‚Zeichnung‘ verwerfen. Ich arbeitete schnell und aus der Verletzung heraus. Dies gibt der Zeichnung Wucht, auf Kosten eines genauen Hinsehens.
4. 4L near Mendesno CA. (Sttle) 1986
No 4, den linken Flügel. In diesem Tal konnte ich den Traum von Kalifornien zum ersten Mal sinnlich nachvollziehen. Unten am Fluss war das Lager mit dem Tipi, in dem ich schlief.. Es war eines der ersten ‚Wandteppich-Bilder‘ – das vorläufig letzte ist jenes von Wölflinswil. [5]
5. 4M 0R-Hbg (NYC)1983
N0 5, Die Vorlage für den Mittelteil hatte ich 1983 [6] bei Mt. Humbug in Oregon.Das Ölbild malte ich noch in New York. Ich war müde vom Bus gehüpft und wollte essen und schlafen. Vorerst kam es anders..
6. 4R. Oregon Polyp Tree (Sttle_)1986
No 6, Das Allererste, was ich auf dieser Reise dem Pazifik nach sah, war jener Octopus-Baum vor dem Licht am Cape Meares (Tillamook County). Beides überwältigte mich. Was ich bis vor kurzem nicht wusste, war, dass diese Sitka-Fichte vor ca. 300 Jahren vom Stamm der Tillamook in ihre Form ‚umerzogen‘ wurde, um ihnen als Ratsbaum und Ritual-Ort zu dienen..
7. 7L. Sttl _ Big Sur_ 1985
No 7, der linke Flügel, entstand in Big Sur [7]: Die oft dokumentierten Rillen jener Landschaft vibrieren, vor allem mit dem Blick nach Norden und gen Abend.. Die Entstehungsgeschichte der Zeichnung, der Zeitdruck [8] und meine Beziehung zum Ort (schon nur durch die Gedichte von Robinson Jeffers [9]), schaffen eine eigene Emotionalität.
8. 7M. Sttl_ Mt Shasta_ 1985
No 8. Der Mittelteil: Bei Mt. Shasta sollen sich 12 ‚Laylines‘ (Kraftlinien) kreuzen [10]. Was immer das heissen mag, sich seiner Kraft zu stellen, braucht auf jeden Fall Mut.. Diese Komposition mit einem ‚Haag’ [11], ist etwas Grundsätzliches! In diesem Öl-Ordner allein gibt es drei davon.Hier, mit den Gerippen der ‚Tumble weeds [12]‘ und der schwarzen Pfahl-Latte, ist die gezogene Grenze klar die des ,Jenseits’, des Todes..
9. 7R Sttl_ S of LV 1985
No 9, der rechte Las Vegas-Flügel entstand während ich 1985 noch auf der Suche nach Amerika war: Las Vegas war für mich damals vor allem eine Zeitverschwendung, entstand während ich noch auf der Suche nach Nordamerika war: Las Vegas war für mich damals vor allem eine Zeitverschwendung. Ich brauchte etwas Authentisches und fand es gerade südlich der Stadt..
10. 10L (7) Montana Morning 1986 Oil
10L (7A) , In Missouri Morning’ scheint alles üblich, jedenfalls auf den ersten Blick. Das Bild hat ‘was Liebliches, wie viele der Montana Blätter, was, wie man mir in der Schweiz erklärte, nun wirklich ‚aber sowas von nicht gehe’. Was irritiert ist allerdings die Energie der Spieglung in den beiden Armen des trägen Flusses frühmorgens..
11. 10R (7b) Montana Storm 1986 Oil
’10R ( 7B) Montana Storm ist das leidenschaftliche Gegenüber zu No 10L. Der Raum im Himmel ist eine Sache für sich: Tiefe und Flächigkeit liegen so im ständigen Widerstreit, was die Emotion, selbst im unteren Teil anheizt
12 Seattle Mt Rainier Wash, 1987
No 12, die Zeichnung, wurde auf der ‚Sunrise‘ Seite des Mt. Rainiers ausgeführt. Ich halte mich meist an das, was sich vor mir auftut. In diesem Fall sind die Nadelbäume im Bild in Tat und Wahrheit mehr als 4 Mal so hoch, wie sie es tatsächlich waren. Zu meiner Überraschung funktionierte die metaphorische Verschiebung..
13 Montana Winter Butes 1987 (Seattle) 88
‚No 13 Montana Winter Butes‘, 1987 in Seattle in Öl gemalt ist eines der 3 Haag-Bilder [13]. Bei Dante ist die Hölle zwar vereist.. Aber an der Wand liest dies Bild anders: Es scheint fröhlich und es gab da wohl eine Doppelschneide zwischen der Kälte und der Freude, die ich ich in Great Falls immer empfand. So ist die Wirkung eher, als sei dies der erste Tag eines nahenden Frühlings.. Das Eis ist gefährdet und wird so zur Metapher für Vergänglichkeit, so wie Raureif. [14]
14. 14L StFe 1 Galisteo (CH) 1991
No 14 und No 15 sind an der Cerrillos Road südlich von Santa Fe entstanden und sieht weiter nach Süden ins Galisteo Basin und sein ‚Reserve‘. Es zeigt die Weite und Gelassenheit einer Jang [15] Energie. Vieldeutig angelegt verschiebt sich das Bild je nach dem Moment-. Es scheint fast leer und langweilig und das ist gut so..!
15. 14R StFe 2 Cerillos Hills (Ch) 1991
No 15 zeigt nun die Dynamik einer Jing [16] Energie: Den blassen Hügeln, welche die ferne Weite bestimmen, ist ein einzelner Baum gegenüber gestellt.. Seine Wurzel liegt unterhalb des unteren Bildrands, die Äste wachsen am oberen Fünftel, über den oberen Bildrand hinaus.. Der Baum ist letztlich nun ein vertikaler ,Haag’, da auch er den Betrachter jenseits des Bildes hält.
16. 16L StFe 3 (CH) 1991.
No 16 ist ein ,Kugelbild’: Der grosse Tannen-Hügel wird oben zum Erdenrund, das eine untere Hälfte erahnen lässt. Hinten sind die Sandias bei Albuquerque. Links ein Bergzug, Teil der Cerrillos Hills. Darunter, unsichtbar, eine Türkis-Mine. Zwischen den beiden Hügeln liegt ein Sattel: Wir sehen den linken ‚Hoger’ von hinten und den rechten von vorne, beide bedeckt mit Wacholder-Tannen.
17. 16R StFe 4 (CH) 1991.
No 17 hat denselben Himmel, Wolken und Phantom-Regen alle der 4 Bilder.. Die deswegen anhaltende Trockenheit des Frühlings lässt Lippen und Erde aufspringen und die Blumen blühen. Hier kommt nun der andere Retter des Erdgrunds ins Spiel und zwar gleich als kleine Armee: Die Choia, die Röhren-Upunzie.
1 Aries /Widder. Uluru NT 1993
Feuer: Die Pflanze kommt aus dem Boden
Etwas drängt nach oben und behauptet sich: Im australischen Zusammenhang ‚der Uluru‘ [17] Er hat in seiner Erscheinung auf der grossen Ebene etwas Bestimmtes und sich selbst Bestimmendes. Dieser Moment wird mit dem Erwachen der Pflanze in Beziehung gebracht und so dem Ego.
2 Taurus/ Stier Wilson‘s Promotory 1993
Erde ‚Der Baum wächst‘
Das Wachsen wird mit der Mutterbindung in Bezug gebracht. Dieser Koloss von Fels am ‚Wilson’s Promotory‘ [18], verschiebt das Thema des Wachsens eines einzelnen Baums hin zum Wachsen [19] an sich. Im Regen, der dies beflügelt, heben sich dunkle, ältere und hellere, junge Bäume gegen das Grau ab. Vor ihm schwebt ein Albatros. [20] Er verweist auf eine sehr alte, unbewusste Metapher, die wir alle irgendwo in uns tragen.
3 Gemini/ Zwilling Above Katherine NT Öl 1994
Luft Das Erblühen
Im Northern Territory, östlich von Katherine, wo im Nitmiluk Nationalpark ein Weg über 3 Terrassen in die Höhe führt. Es war einer der wenigen Aussichtspunkte, der das weite Land zeigt.. Dort oben konnte ich nun plötzlich unter rosa Blüten aufatmen. Das Blühen und im Übertragenen die Kommunikation (Geschwisterbindung), entspricht zudem dem agrarischen Moment und Aufgabenbereich.
4 Cancer/ Krebs 5 River Lookout, WA Öl 1994
Wasser Die Befruchtung
West Australien, am ‚5 River Lookout‘ in der Nacht. Agrarisch ist dies der Moment der Befruchtung der Blüte und in der üblichen Erweiterung, dem ‚Entdecken der Seele’. ‚Lunacy‘ in seiner Doppelbedeutung ist ebenfalls Teil des Prinzips: Die Nähe von Wahnsinn und Genie, den Mut zu spüren trotz aller Angst! Also jenes ‚sich öffnen..
5 Leo/ Löwe Near Uluru RC Öl 1994
Feuer Das Reifen in der Sonne
In der Roten Mitte streben vor einem untergehenden Mond junge und jugendliche Wüsteneichen trotz der ständig vorüberziehenden Feuer der Sonne zu. Dass es hier junge Wüsteneichen sind, verstärkt das Gefühl des sich Durchsetzen-Müssens, vor allem in diesem extrem feindseligen Umfeld. Die unumgängliche Selbstverwirklichung ist ebenso spürbar wie der letzte Zauber des untergehenden Intuitiven.
6 Virgo/ Jungfrau On the border V/SA Öl 1994
Erde Die Ernte
Früh an einem bedeckten Morgen, gerade an der Grenze zwischen Victoria und Südaustralien, glühen leicht ferne Dünen. Kleine ‚Saltflats‘ [21] beflecken den Küstenstreifen, umgeben von im Salzwind am Meer gewachsenem Widerstand. Ein schwarzer Baum bemüht sich redlich gegen das tödliche Weiss.. Es ist, bei all seiner Poesie, kein einfacher Ort. Die Jungfrau deckt die Zeit der Ernte ab: Das sich fügen unter Notwendigkeiten..
7 Balance/ Waage Near Camooweal QL Öl 1994
Luft Ruhe, Zeit haben
Die weiten Ebenen von Queensland eröffnet sich hier, wo Taipans [22] und Schlimmeres sich unter den Stoppeln tummeln. Der tiefe Horizont wird zum alles verschlingenden Raum. Es gibt nirgends mehr, wo man hingehen könnte. Frieden und Hoffnungslosigkeit sind zwei Seiten des Gleichen. Nach der Ernte dominiert nun erst mal die absolute Entspannung, jenes grosse Ausatmen: Raum an sich wird so zur Metapher..
8 Scorpio/ Skorpion Jim Jim Falls Kakadu National Park NT. Öl 1994
Wasser Der Tod und das Weiterleben im Kern
Die Jim Jim Falls im Kakadu Nationalpark gegen Ende der Trockenzeit. Hier verschwindet der Horizont vollständig nach oben. [23] Das ,Unter-gehen’, ‚to underg0‘, meint das Erdulden, hier das Ende eines Zyklus’ und den Beginn seines Gegenübers unter der Erde, das ‚Er-Leiden’: Im Skorpion stirbt die Pflanze und lebt weiter im Kern, Tod und Auferstehung. Üblicherweise findet das Wort ‚passio’ hier seine Anwendung.
9 Sagitarius/ Schütze Kakadu National Park NT. Öl 1994
Feuer Der Winterschlaf
Ebenfalls im Kakadu Nationalpark gegen Ende der Trockenzeit: Noch huscht unter dieser Savanne ein endloses Verstecken, Jagen und Spielen durch: Ein Fressen und Gefressen werden. Doch bald wird das Wasser wieder steigen und dann ist all dies nur noch ein endloser See, wo sich mit den Wassern neue Lebensformen ausbreiten. Hier herrscht immer Winterschlaf für irgend etwas, irgend jemand.. Und immer herrscht das pralle Leben! Und Winter-schlaf ist ja die agrarische Zuordnung des Schützen. Das Feuer kommt als Funken im Widder, brennt im Löwen und wird im Schützen zur Glut: deshalb, Asche!
10 Capricorn/ Steinbock (Ziegenfisch) Wonga Beach QL Öl 1994
Erde Im Kern nimmt die Pflanze Form an.
Ebenfalls in den östlichen Tropen, im Cape Melvielle Nationalpark, noch am Cape York [24], mit Blick nach Nordosten: Der Samen verflüssigt sich unter der Erde und in ihm formt sich nun die spätere Pflanze. Die Idee der Ambition, einer Projektion in eine nahe Zukunft. Das Gewicht der ,Erde’ beginnt hier, weist über scharfe, vulkanische Felsen hin, nach draussen, zu den Inseln im Meer. Weiter geht das Element zum Monolith des Stiers und schliesslich zum Sand und Salz der Jungfrau. So entsteht ein Eindruck, dass hier etwas verursacht wird und wurde, im langsamen Entstehen ist und das wäre dann ja auch die richtige agrarische Einordnung.
11 Aquarius/ Wassermann Kata-Tjuta (Uluru) NT Öl 1994
Luft Das Warten im Vorfrühling
Die ‚Kata Tjuṯa‘ (einst ‚die Olgas‘) Der ausgewählte Teil dieser ‚Kugeln’ war für mich nur Landschaft, das etwas in mir auslöste. Die Luft kommt in der Weite der Waage. Freude schwingt bei allen drei Luftzeichen irgendwie mit. Alle drei öffnen das Herz, der Wassermann vielleicht am meisten. Die Luft löst sich in den Weiten des Zwillings auf.. DerWassermann deckt agrarisch das Warten im Vorfrühling ab. Ich verliebte mich in diesen Hügel, als hätte es dort eine Ansammlung von bewohnten Dörfern, welche über sie verteilt eine kleine Stadt oder vielleicht sogar Festung bilden – jedenfalls einen gemeinsamen Raum, ein Ort, wo Menschen zusammen kommen. Das entspricht ja der agrarischen Bedeutung des Zeichens—
12 Piscies/ Fische Henbury-Krater NT Öl 1994
WasserUnter der Erde bricht der Kern auf
Das Wasser kommt unter dem dunklen Zauber des Krebs, öffnet sich im Mysterium des Skorpions und löst sich im Unbewussten der Fische auf. Etwas bricht auf, regt sich unter der Erde. [25] Das Heimliche, Verdeckte kommt zum Zug. Der Bauer sollte beginnen, sich vorzubereiten: Ein neues Jahr ist bald unterwegs, die Arbeit wird sich häufen. Gezeichnet nachts im Henbury Krater, gerade nördlich vom Uluru. Der Mond hinter mir streifte die Gipfel der Bäume.. Drunten, das schwärzeste Schwarz: Mondschatten! Das Wasser geht in den Fischen, ein altes Jahr findet sein Ende.. Über allem: Sterne, als Welt übergreifendes Symbol der Hoffnung..
30. 30L 4053 1820 1994
In No 30 (Orange) wirken die bunt entzundenen, teils hellgrünen Blätter müde über dem Gitter der schwarz gezogenen Äste: Hier wird Schwarz zur Warnung, wenn auch nicht so sehr vor dem Tod, wie vor dem Sterben.
31. 30M 4053_ 1820 1994
No 31, der Mittelteil, zeigt jene Freude, der bekanntlich nichts widerstehen kann.. Die Wirkung ist jener Frühlingstaumel, der das Herz öffnet,
32. 30R 4053 1820 1994
No 32, das blaue Bild: Ein Sturm lässt dessen Spuren auch auf dem Wasser nach schimmern. Weiss tanzen die Wolken des auf uns zukommenden Regens.. Alle drei haben Anteile von Blau und Orange und sollten mit Abstand nebeneinander hängen. Die Idee war, auf drei Wänden im gleichen Raum.
33 Route 66 Final (1990) 96
No 33, das Ölbilder von .Route 66’ entstand aus einer der späten Zeichnungen aus dem Südwesten der USA. Viel Emotion und viel Leinwand werden in diesem 1.80m Bild in Bewegung gesetzt. Malerische Konventionalität wird dort eingesetzt, wo sie diese Spannung reduziert. Der Wahnsinn dieser Wochen mit Wind ohne Ende wird spürbar!
34 4053 4103, (95, 96); 1999
No 34, die erste Zeichnung in der Schweiz, ist auch eine Rückkehr zum Ölbild No 3: Das Schwarz/Weiss der hier nun wirklichen Baselbieter Kirschbäume, findet zu seinem ureigenen Drama: Ein aus diesem tiefen Blickwinkel flach übers Land gelegtes Kreuz aus Bäumen, ergibt sich einerseits aus den vom Vordergrund nach hinten platzierten Stämmen und anderseits aus der Linie von Bäumen, welche horizontal über die ganze Breite der Leinwand ziehen.
35. 4053 LC, OR 1 1999
In No 35 sieht man bei Lincoln, OR nach Westen übers Meer: „In No 36 könnte man ganz links über die Dünen von N0 35 sehen..“ Beide Studien sind 1995 während jener Rundreise bei Mike [26] in Lincoln City entstanden..
Wir sehen über einen kleinen Hafen bei Ebbe, der Sand glänzt noch, doch das Meer bricht schon wieder ein..
36 NW OR Lincoln 2 1995
In No 36 sieht man nördlich Lincoln, OR nach Süden. Im Gegensatz zu No 35, fällt kaum Licht aufs Wasser. Ein Hauch von Gelb im Hell und weit draussen auf dem Meer zeigt, dass dies wohl eher Dunst als Nebel sein dürfte..
37 West of GF, Fields o G 2 MT (4053) 2001
No 37 zeigt nochmals jene Aussicht westlich von Great Falls, wie schon No 12 (Winter Butes): Kaum mehr als ein paar dunklere Pinselstriche links im Gras sind vom Haag im Eis geblieben. Ein gerade noch beleuchteter Hintergrund, schimmert dank seiner helleren Farblagen entrückt. Eine Grenze zum Mittelgrund entsteht: Nun ist es der Raum selbst (und kein Haag mehr), der hier trennt.
38 4053 GF Fields o G1 Eden MT 2002
No 38 ist ein Schlüsselbild: Das Ölbild schaut von Norden her nach Süden in Richtung Great Falls zurück. [27] In der Senke zwischen den ‚Fields of Gold‘ liegt, von ein paar Bäumen ersetzt, der (nicht gezeichnete) Hof ‚Eden‘, was für sich selbst spricht.. Der Haag ist sicher wieder eine Abgrenzung, jedoch öffnet diese sich auf der linken Seite, gewährt Zutritt. Sein Raum ist ohne Zweifel ein Konstrukt, eröffnet sich aber nicht als ein Solches. Er kommt uns nicht entgegen, ‚ist‘ einfach und ist insofern sich selbst genug..
39 4103 Makah B Wash. 2016
No 39: Makah Bay ist das grosse Abschiedsbild.. 11NW OPn 6, 1988; Near Ozette‘ steht in einem 90-Grad Winkel zu No 39: Geht man zwischen dem grösseren und kleineren Felsen nach links bis zum Ufer und dreht sich um, sieht man 11NW. Dieser Strand ist inzwischen für Weisse gesperrt und somit auch jeder Zugang zur Ossette Bay.Das Bild bringt den Geist dieser Gegend auf den Punkt und inzwischen muss man seine Leichtigkeit vor dem Seattle-Mob auf jeden Fall schützen..
40 1820 ÖL C 7 Le Gramont Rouge 2016
No 40 wurde noch vor dem Tod meines Vaters in Montreux gezeichnet. Er gab dem Blatt, dem ‚Gramont Rouge‘, seinen Namen. Das ,Rouge’ hier – echtes Karmin – ist im ‚Le Gramont Rouge‘, nur schwer zu fassen: Es ist immer irgendwie ‚da‘, sticht aber nur selten ins Auge, verdichtet sich jedoch mit der Zeit. Das Gestrüpp vorne besteht aus einer unüberwindbaren Barriere von wilden Brombeeren und ist somit die vorläufig letzte Umsetzung der Haag-Thematik. Hier ist kein Durchkommen! Das Jenseits verbietet sich in jeder Hinsicht. Zugang ist nur über die Vorstellung zu haben..
41 (38) 4103 1820. Les Dents du Midi 2016 (00)
No 41 Les Dents du Midi’, mein letztes Blatt in Montreux, ist eine Hommage an meine Mutter, weil es ihren Blick aus der Küche zeigt. Es zeigt jenen, in ‚Auf der Suche nach einem schwindenden Planeten‘ [28] beschriebenen Moment, wenn dies unheimliche Licht vom Wallis hinunter geströmt kommt und dem Gramont seine Erdung raubt. Die ‚Dents du Midi’ sind hier anders betroffen: Die Kraft ist auch erst im Kommen und gibt den Bergen eher Leichtigkeit, ja Eleganz. Kraft und Frieden schlagen eine Brücke zu Mt Shasta [29], aber viel hat sich seither geändert. Der Haag ist inzwischen ein See.. Mit einer Insel!