MALEREI
Montana
Inhaltsverzeichnis
Great Falls war wie die Erfüllung eines fast vergessenen Versprechens: Die Menschen, die ich dort traf, zeigten Narben wie anderorts auch, aber es kam ihnen nicht in den Sinn, diese zu verstecken. Sie sahen sie nicht als etwas Unrichtiges.. Ich hatte immer einen gewissen Horror vor dem ‚kleinen Glück‘, davon, das Leben zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Gleich-zeitig bin ich neidisch auf Menschen, welche dies mit jener gewissen selbstverständlichen Güte tun können. Ich verstand, dass diese Stadt über mehr als 100 Jahre durch Eiseskälte und Sommersglut, zu etwas geworden war, dass Demut eher als Werkzeug denn als Tugend sah und wie in den anderen Kleinstädten Montanas, in denen ich zwar wesentlich weniger Zeit verbracht hatte, spürte ich eine Dankbarkeit gegenüber ihren Cowboy-Hüten und wofür diese standen. Great Falls ist oft in ein ganz eigenes Licht getaucht.. Sicher, da sind ,die grossen Ebenen’, wie die Leute, die dort leben, diese Weite nennen und sie haben an sich schon ein magisches Licht, vor allem, wenn die Sonne geht oder kommt. Und dann hat, oder hatte, Great Falls diese Ulmen-Alleen und die weiss bemalten Häuser, die sich, wie alle Bauernhäuser, auf eine vernünftige Grösse beschränken. Dies Gespür für was sinnvoll ist, geht auf alle Häuser über, schon nur wegen der Eiseskälte.. Es gibt begüterte, ja reiche Bauern mit ihren grossen Gehöften, die ihre eigene Kleidung und ihre eigene Kunst, ihre eigene Art zu kochen und ihre eigene Musik haben und denen es gleich ist, wie andere darüber denken. Die wenig begüterten, bis hin zu Menschen, die wie Ken in (s)einem Trailerpark lebten, sahen das ebenso. Insofern all das den ‚verschwindenden Planeten‘ berührt, ist denn auch dort nachzulesen.. [1]
Sicher, die Welt dort hat auch ihre Risse.. Und die besten Brockenstuben der USA. Und wie gesagt, leuchtet sie auf ihre Art, lässt leben und jene, die sich dem widersetzen, vereinsamen dann eben in der Weite. Ich erlebte dort die alte USA, die Offenheit, welche die ‚Bill of Rights’ innerhalb klarer Grenzen voraussetzt: Ich war allein unterwegs und es schien, ich würde für den Abend in Lewistown Mt. festsitzen.. „Schlaf im Auto beim Park und verstecke dich nicht. Irgendwann kommt die Polizei und deponiert dich für die Nacht auf einem Bauernhof..“, riet ein Freund. Das war nicht mal nötig, denn, was das amerikanische Hinterland vor allem auszeichnet, ist seine Neugier.
Meine Zeit dort war also mehr als glücklich und ich habe erst Jahre später begriffen, dass ich da zudem eine der wichtigen Beziehungen meines Lebens gelebt hatte. Sie war zu selbstverständlich, einfach nur eine ruhige Männerfreundschaft, ohne Aufhebens, aber mit viel diskreter Wärme..
Der schwule Klüngel versammelte sich in etwas zwischen einer Brocki und einem Antiquitäten-Laden und nach ein paar Mal dort mit Ken, war ich der ’Maler’, was einem unumstösslichen Prädikat gleich kam. Ich tauschte Zeichnungen gegen, zum Beispiel, eine, in einem 6-eckigen Behälter montierte, kleine Navajo Schale. Weder offiziell noch lupenrein, aber wunderschön, überzeugte sie, ohne Kunst sein zu müssen. Selbst die Krisen in jener Stadt waren gesittet und das Essen immer vorhersehbar und spendete verlässlichen Trost. In all seinen Eigenheiten, spürte ich in Great Falls die Möglichkeit einer Normalität, die nicht menschenverachtend, sondern bloss etwas überfordert war.. und hin und wieder witzig.
Die Zeichnungen 1 – 5 entstanden anfangs, eben ‚on the plains‘, welche die Stadt umgaben, und meist von Ken’s Pick-up Truck aus: Er las sein Buch, mit einem Auge auf meiner Mappe, wo ich wie hypnotisiert malte..
1 zeigt einen Bute oder Mesa, also einen Tafelberg, der mich dort im Nichts an die Basis von ‚Pieter Bruegel dem Älteren‘ im ‚Turmbau zu Babel‘ [2] erinnerte. Als ich das Bild nachschlug, war da keine visuelle Übereinstim-mung. Trotzdem, mitten in Wolken und Wetter, sah ich das: ‚Mene, mene Tekel‘ [3] im Himmel, wie jene ‚Ghostriders’, jene ‚Wilde Horde im Song‘! Es schien oft eine Warnung in dieser Weite zu geben, welche ich im Laufe der Jahre nachvollziehen und bejahen lernte..
2: Das Vorgebirge der Rocky Mountains, die sich dahinter auftürmen. Darüber zwei Lagen Wolken, welche diese Räumlichkeit spiegeln, abgesehen von jener Art von ‚Windhose‘ im Himmel, welche all dem widerspricht. Wie später in Ammel, sieht man auch hier die Spuren des wegfliessenden Wassers aus jenem riesigen See, der diese Ebenen einst bedeckt hatte und von dem nur das Salz im Umfeld von Salt Lake City geblieben ist. [4] Später, während der Eiszeit, stand dort ein 2km hoher Eiswall, welcher den riesigen Missoula Lake vor Ort hielt, bis dieser dann während der Tauzeit plötzlich brach und, entfesselt, unvorstellbare Wassermassen in Richtung Pazifik explodierten, dabei grosse Felsen, Wälder, Mastodons und Menschen, ja was immer im Weg war, mit sich fort rissen, um schliesslich die Columbia Schlucht unterhalb von Portland zu schaffen. Und noch heute sind die Spuren dieser monumentalen Zerstörung deutlich zu sehen! Was genau auf der Judith Gap [5]-Seite stattfand, entzieht sich meinen Kenntnissen, aber der Bruch dort ist ebenfalls gigantisch, von den Vulkanen unter Yellowstone ganz zu schweigen.. Wie auch immer: Abgeflossenes Wasser ist, was man zeichnet! Trotzdem segnet Licht das, wenn auch nur fahl beleuchtete Land. Ein Gefühl von etwas wie Regen wäre eine mögliche visuelle Zuflucht, da dies den Raum nachvoll-ziehbarer machen würde, irgendwie..
3: Der Westen: Seine Ebenen, deren Durchquerung und dann die Übersteigung der Rockies gelten als der amerikanische Urmythos schlechthin. Was in den Steppen Asiens vor Urzeiten begann, fand an der Pazifikküste ein abruptes Ende.. So, wie die Französische Revolution [6] das Böse, das Versailles grundsätzlich war, im Nachhinein mit einer tragischen Patina versah, erlaubte diese atemberaubende Landschaft, diese ‚Ebenen‘, den Menschen, die hier durchzogen und vor allem jenen, die hier blieben, eine ureigene Würde. Telegraphen/Telephon Pfähle bezeichnen einen Weg durch diese Weite, lassen sie melancholisch wirken und machen sie sprichwörtlich greifbar. Wie die Eisenbahn einst, wurde jeder dieser Stämme von Menschen eingeschlagen und vernetzt. Das Bedürfnis zu kommunizieren führt unser Auge und ein unruhiger Himmel erinnerte an den ewigen Feind aller Siedler dort: den Wind!
4 ist einer der frühen Versuche, mit Rothko-Kanten zu arbeiten. Eine Serie oranger Striche legen sich durch den Raum: Von den dunkleren auf dem Bute bis zu den blasshellen im Vordergrund, drehen sie das traditionelle Raumgefühl um, welchem die dunklen Linien dazwischen folgen. Auch die Wolken lassen Raum ahnen, wäre da nicht das Violett hinten rechts und vorne links. Himmel und Erde ergänzen sich und bilden auf den ersten Blick eine Einheit. Die Tiefe bleibt oben wie unten nachvollziehbar, allerdings wohl eher, weil wir das so wollen! Die fast orangen Gerstenfelder, ,the fields of gold’, sind hier aufgewühlt, Wind gepeitscht und glimmen noch nach. Es ist die Zeit des grossen Reifens, der Auseinandersetzung aller Kräfte..
5: Ich hatte beschlossen, diesen Wald zu malen, als er mir vom Flugzeug aus aufgefallen war. Das war lange bevor ich verstanden hatte, dass dieser Hain da draussen in der ,Lone Prairie’ [7], wo keiner sein Herz begraben wissen will, die Gräber des Gottesackers von Great Fall schützte. Die Senken dort sind im Winter von 3 Meter Schnee bedeckt, also hat man einen mächtigen Eichenwald auf diese Anhöhe gepflanzt, um den Toten Ruhe zu geben. Ein Lichtstrahl segnet den Acker und die Senke dahinter. Eine Reihe Bäume bilden eine Linie sowohl für Trauernde, wie für die Schneeräumung. Alle Bäume hier sind vom Weissen Mann gepflanzt. Von der Prärie sind noch 10% vorhanden, deshalb ist inzwischen per Gesetz jeder Raum zwischen Strasse und Feldern vehement geschützt.. Eine Schauer rundet diesen unruhigen Frieden ab.
6 ist eines der seltenen Bilder, das sich schlecht aufführt, das sich sträubt, wo es nur kann! Wilder, blühender ‚Sagebrush‘ [8] im Vordergrund, das grosse Reinigungs-Kraut der Ureinwohner. Land und Himmel sind entfesselt. Den ‚Blue Mountain‘, nahe bei Missoula, überragen die Gipfel der entfernten Rockies dahinter, über denen sich Wolken grau in grau weiter winden, bis sie schliesslich eine Decke bilden. Es luftet! Lichtpfeile überstreuen das Land mit Flecken von Hell zwischen dem Dunkelblau der Berge. Der Raum ist grob und durchaus üblich, was ihn nicht zugänglicher macht. Die unheimliche Seite dieser Welt setzt sich in Szene und durch..
7 – 10 zeigen den Missouri: Sein Wasser bestimmt als Lebensader letztlich diese Gegend. Nähme man seine Fortführung als Mississippi dazu, wäre dies der längst Fluss der Welt.. In Great Falls sind wir allerdings noch weit weg vom ‚Ol‘ Man River’. Seine Breite variiert und insofern seine Wirkung, schliesst aber sowohl Seen wie auch Schluchten mit ein.
7: Im Buch [9] wird auf diese Morgenstimmung eingegangen. Dies ist seine lieblichste Seite, so ganz früh am Tag, lange vor der Sommerhitze, wenn er noch ganz in seiner Spieglung verfangen ist. Nur von der Hauptstrasse brummt etwas Verkehr.. Eine meiner Hexen Freundinnen, welche reflektierendes Wasser ‚liesst‘ [10], meinte, das Bild täte es für sie auch.
Der träge davonziehende Fluss ist eine universale Metapher für Sehnsucht und es passt, dass eine dermassen verwurzelte Stadt eine Brücke über etwas haben muss, das hinaus in etwas ganz Anderes führt. Auch der linke Seitenarm ist stimmig, der den ‚Brakes‘ nachfliesst, um weiter unten wieder Teil der grossen Ruhe zu werden. Mit 14: Montana Storm bildet es als grossflächiges Ölbild ein Diptyque.
7B: Hier fehlt der Missouri, aber ‚Montana Storm‘ ist (als Öl-Bild) der zweite Teil des grossflächigen Montana Diptyques. Ist 7 die Ruhe selbst, greift nun hier alles ineinander: Licht und Schatten, Stille und Sturm, Wärme und peitschender Regen. Von der Mitte her nach unten, fliesst das Bild von Blau nach Orange. Vorne kommt es dann zum Konflikt zwischen dem kalten Grün und dem ‚heissen‘ Orange, das vom Grün nach hinten ,gepusht’ wird.. Ganz links ein schwarzer Fleck, hinten rechts Hellblau.. Aber schwarze Linien, Grün, Orange und Rosa beschreiben und widersprechen sich im Raum, den wir zu sehen glauben. Und all das unter einem Himmel, der zu kochen scheint.. Zum Trost von 7 kommt hier der Kontrollverlust..
8: Ich hatte die Zeichnung bei mir, als ich in Basel bei einer Steppvisite in einen Buchladen stolperte, in dem ,Mannevölcher’ – also echte Maler – Hof hielten und mich informierten, dass so was keine Malerei sei, weil ‚schön‘ nicht mehr ginge.. Nur die deutschen Lande haben diese Panik, was konzeptfreie Kunst angeht und ich musste etwas tief atmen, um nicht zu antworten. Die Sache hat aber noch eine zweite Seite: In den USA, vor allem in ländlichen Gegenden und eher gegen Norden, muss sich keiner dafür schämen, glücklich zu sein. Nicht, dass Fröhlichkeit Pflicht wäre, aber man kann sich in dieses Gefühl hineingeben, ohne dass es Neid oder Kritik provoziert. Der Ort der Zeichnung war irgendwo anfangs Holter Lake, auf einer Terrasse eines schwulen Pärchens, das dort seit den 60er-Jahren zufrieden ihrem nicht immer einfachen Leben nachgegangen war. Wir sassen da am späten Nachmittag, wenn das Licht vom Wasser her die Bäume von unten beleuchtet, und tranken Tee. Ich erlag der Verzauberung; ob ich das nun wollte oder nicht, was Ken amüsierte. So schlug er vor, ich solle doch zeichnen und ich wurde allein gelassen, während die anderen, unter den prüfenden Blicken der Hunde, gemächlich das Abendessen vorbereiteten. Das Bild hat hier des öfteren ein gewisses Stirnrunzeln provoziert, was für mich immer noch eine Bestätigung ist. Ich habe dort draussen etwas gelernt!
9: Die Great Falls des Missouri sind auch ein Kraftwerk und dieses hat einen Arm mit einem Stuhl, der über dem Wasser schwebt. Vom Land aus sieht man erst mal eine Reihe Turbinen, welche gerade gewartet wurden. So erkundigte ich mich, wie ich auf den Stuhl käme. Die Arbeiter grinsten, da sie meine Mappe gesehen hatten und halfen mir auf den Sitz über dem Abgrund. Ken grinste auch, wieder mal, und ging, nach einem herb-männlichen Nicken in Richtung Schutzengel, einen Kaffee trinken. Der Sitz surrte vom Tosen des Wassers unter mir und das alles übertrug sich in meine Finger und Kreiden.. Als Ken mich abholen kam, bedankte er sich für mich, da ich weitgehend zitterig und durch den Wind war nach all dem Vibriert-Werden, so dass er mich erst mal nach Hause fuhr, um etwas zusammen zu schlafen..
10 Die ‚Missouri Breaks‘, jene Felswand jenseits des Flusses im Hintergrund, glühen im Abendlicht, wie die ganzen Ebenen oben abends des Öfteren. Im 2. Buch wird die Rolle, welche dieser Ort in meinem Leben und im Alltag der Stadt spielte, beschrieben. Vorne sprudelt eine Quelle und in dieser endlosen Weite sind solche verdeckte Juwelen Lebensretter, vor allem im Sommer. Und wieder ist da dies Gefühl von Freude, das mich in Great Falls stetig begleitet hat. Auch weil ich dank Ken in ein soziales Netz gefallen war, dass mich ganz selbstverständlich auffing und beschloss, die Tatsache, dass ich nur immer wieder vorbei kam, als Kompliment zu verstehen. Es ist einer jener Orte, die ich für den Rest meines Lebens vermissen werde, dies Flirren, trotz der Ruhe und die hypnotische Trägheit des Wassers.
Farbtechnisch sind diese Bilder vielschichtig, ob sie nun scheinbar ruhig und chromatisch daher kommen oder, wie die letzten beiden, geradezu flimmern. Sie haben aber eher mit Pollock als mit Seurat zu tun. Allerdings hatte ja Hans Hoffman Rothko nach Paris geschickt, um Seurat zu studieren, was einer der Auslöser für Rothkos späteren Umgang mit Farbe gewesen sein soll.. Die Versöhnlichkeit, welche die Montana Arbeiten bestimmt, war sicher ein ganz zentraler Einfluss in meinem Leben. Glück ist eine Entscheidung..
11: ‚Montana Wilderness‘ ist weit mehr als nur ein Fixpunkt. Die scheinbar unverhohlene Romantik der Komposition, welche im sozialen Zusammenhang dort ja ganz anders liesst,war auch für mich bestenfalls ein Zulassen eines Echos. Trotzdem wurde das Blatt zum Träger einer letzten Befreiung: Gerade wegen der ‚Zitate‘ geht es hier um ein endgültiges Loslassen Europas und ein Verinnerlichen des asiatischen Blickpunkts, da es auch in diese Richtung ‚Zitate‘ gibt – und oft dieselben! Inwiefern dieser Zaun nun eher K.D. Friedrich oder doch eher Hokusai zitiert, ist weniger wichtig. Beide treten hinter dem, was er hier tut, zurück.. Und vor allem jene unsichtbare Senke dahinter, aus der eine Ebene, Hügel und dann die Berge ragen. Ich dachte immer, dass dort die ‚Marshall Wilderness’ liegt, wo man nur hinein darf, wenn man vorher auf sein Leben verwirkt. Aber in dieser Senke liegt auch jene Wildnis, in der Cowboys mit Essen und Schlafzeug monatelang allein von Zaun zu Zaun reiten und ihre Arbeit erledigen. Bis dieses Holz dann irgendwann Teil der Wildnis wird und vergessen geht.. Aber darum geht es ja nicht! Sondern darum, dass das Bild liesst. Punkt. Und da es sich über seine Referenzen eher lustig macht als nicht, ist schwer zu sagen, warum..
12 – 14 sind nahe beieinander, westlich von Great Falls, wo die einen der ‚Fields of gold‘ liegen, den Gerstenfeldern für die Bierindustrie; wobei im ersten Bild ja noch Schnee liegt.
12: ‚Winter Butes‘ greift 4 Jahre nach ‚Mt. Shasta’ und 12 Jahre vor ,Fields auf Gold’ den Mythos des elend-langen Zauns auf. Zäune lesen immer als Grenzen zu einer anderen Dimension. In ‚Mt. Shasta’ hat dies eindeutig mit dem Leben nach dem Tod zu tun. Die Mongolischen Disteln, die ‚Tumble Weeds‘, hängen wie Gebeine an der Grenze zwischen dem Irdischen, wo alles Diesseitige hängen bleibt, und dem Machtbereich des Vulkans, dem Jenseits. Mt. Shasta hat in esoterischen Kreisen Legendenstatus als ultimativer Machtort. In ‚Fields of Gold‘ heisst ein nicht gezeichneter Hof dort ‚Eden‘, was für sich selbst spricht. Der Zaun ist eine Grenze, aber auf der linken Seite hätte man Zugang.. Bei 13 geht es eher um ‚The Frozen Waste‘, eine Eiswüste, über der ein offener Himmel den Ort noch kälter wirken lässt. Bei Dante ist ja die Hölle vereist.. Aber an der Wand liesst dieses Ölbild ganz anders: Es scheint fast fröhlich und lebensbejahend.. Und die Strasse kreuzt den Zaun wohl in der Unendlichkeit, dort, wo Parallelen sich treffen..
13: Im ersten der beiden Gegenbilder zu ‚Winter Butes‘ (12) beginnt es gleich, kräftig zu regnen. Es ist einer dieser eher schummerigen Sommertage, welche die Ernte der Fields of Gold noch etwas hinauszögern. Das Grau lässt das Orangegelb der beinahe reifen Gerstenfelder aufglühen.. Überhaupt scheint alles Wärme zu verströmen.. Das Land fliesst weich und weit, ohne Zäune bis zum Fahl der weiten ‚Rockies’. Aber auch hierhin würde es jenseits des subtilen Bruchs in der Kraft der Farbe kein Zurück geben. Raum wird zu ‚Lettner‘ [11] zwischen hier und dort.
14 ist das zweite Ölbild dieser Ansicht und das nun deutliche Gegenbild zur Kälte von 12. Es ist jene Hitze, die alles auflöst und die Menschen an Orte wie Bild 10 (bei den Missouri Breaks) fliehen lässt.. Kein Wunder, reifen hier Getreide wie Tomaten wie sonst nur in der Ukraine oder in Sizilien. Letztere finden hier sogar ihre Bestimmung! Dunst flirrt und jener ‚Lettner‘ [12] zeigt sich hier in aller Deutlichkeit. Es ist insofern das abschliessende der ‚Zaun‘-Bilder. Das kühle Lila im Gras ganz vorne, macht die Hitze nur noch deutlicher.
15: Montana, Eden/ Fields of Gold 1996 (bad oil) ist, was es ist! Nachdem ich es gemalt hatte, stiess es allgemein auf wohlwollende Ablehnung. Es besteht aus endlosen Lasierungen, die jede halbe Stunde mit neuen Lichtverhältnissen ein anderes Bild entstehen lassen, was nach wie vor ein guter Grund ist, warum man Ölbilder ausführen sollte. Allerdings verlangen auch zeitgenössische Ölbilder von einem Zuschauer Zeit, wirklich Zeit! Und nur meine beiden Handwerker-Freunde nahmen sich hin und wieder ganze Halbstunden, um sich in ihnen zu verlieren. Die meisten meiner Akademiker-Freunde können, konfrontiert mit grossen Bildern, meist den Machtverlust, den diese auslösen, die Notwendigkeit einer Hingabe, nicht verwinden.
Die Zeit in Montana erlaubte mir eine humane Öffnung. Kens bedingungsloses Ja zu mir und meiner Arbeit war der Gegenpol zu Bobs Angst vor meiner Leidenschaftlichkeit, die es ihm verunmöglichte, meine Arbeit auch nur anzusehen. Ich schenkte Bob zum Abschied ein Blatt mit Mt. Rainier, gezeichnet von Steward Park [13] aus und erst dann, mit einem meiner Füsse schon aus der Türe, konnte er zeigen, dass die Bilder ihn bewegten. Ken hatte noch etwas Silber und einen wunderschönen Sioux-Dolch. Ihm machte ich einen Griff aus Wachs in der Form zweier Bären, wie bei einem Totem-Pol, einen über dem anderen stehend. Es gibt in Montana einige Kunst-Giessereien und er hatte Freunde dort.. Als wir uns das letzte Mal trafen, lag er noch im Tiefkühler, brauchte aber keine Überarbeitung und das Giess-Datum war festgesetzt.
1Montana, Mene, mene Tekel 1985
1 zeigt einen Bute oder Mesa, also einen Tafelberg, der mich dort im Nichts an die Basis von ‚Pieter Bruegel dem Älteren‘ im ‚Turmbau zu Babel‘ [1] erinnerte. Als ich das Bild nachschlug, war da keine visuelle Übereinstim-mung. Im Himmel : ‚Ghostriders’? Jene ‚Wilde Horde aus dem Song‘?
2 Montanq RM Promotory 1985
2 Das Vorgebirge der Rocky Mountains, die sich dahinter auftürmen. Wie später in Ammel, sieht man auch hier die Spuren des wegfliessenden Wassers aus jenem riesigen See, der diese Ebenen einst bedeckt hatte.. Licht segnet das, wenn auch nur fahl beleuchtete Land.
3 Montana The Rockies NW of Great Falls 1985
Der Westen: Seine Ebenen, deren Durchquerung und dann die Übersteigung der Rockies gelten als der amerikanische Urmythos schlechthin.Telegraphen/Telephon Pfähle bezeichnen einen Weg durch diese Weite, lassen sie melancholisch wirken, machen aber auch sie sprichwörtlich greifbar.
4 Montana Summer Butes GF_Mt 1985
4 Westlich von Great Falls (wie Winter Butes). ,The fields of gold’, die fast orangen Gerstenfelder, sind aufgewühlt, Wind gepeitscht und glimmen noch nach. Es ist die Zeit des grossen Reifens, des Löwen, der Auseinandersetzung aller Kräfte.. Ein frühen Versuch, bewusst mit Rothko-Kanten zu arbeiten.
5. 1 Montana GF Gottes Acker Eichen 1987
5 Dieser Hain draussen in der ,Lone Prairie’ [2], wo keiner sein Herz begraben wissen will, schützt die Gräber des Gottesackers von Great Fall. Die Senken dort sind im Winter von 3 Meter Schnee bedeckt, also hat man einen mächtigen Eichenwald auf diese Anhöhe gepflanzt, um den Toten Ruhe zu geben. Ein Lichtstrahl segnet den Acker und die Senke dahinter. Von der Prärie sind noch so 10% vorhanden, deshalb ist inzwischen per Gesetz jener Raum zwischen Strasse und Feldern vehement geschützt..
6 Montana Bitterroot Vally 1986
6 Die ‚Blue Mountain‘, nahe bei Missoula. Dies ist eines der seltenen Bilder, das sich schlecht aufführt, das sich sträubt, wo es nur kann! Wilder, blühender ‚Sagebrush‘ [3] im Vordergrund, das grosse Reinigungs-Kraut der Ureinwohner. Land und Himmel sind entfesselt. Es luftet!
7A Montana Missouri Morning Great Falls 1987
7A Im Buch [4] wird auf diese Morgenstimmung eingegangen. Dies ist seine lieblichste Seite, so ganz früh am Tag, lange vor der Sommerhitze, wenn er noch ganz in seiner Spieglung verfangen ist. Nur von der Hauptstrasse brummt etwas Verkehr.. Ein träge davonziehende Fluss ist eine universale Metapher für Sehnsucht
7B Montana Sturm Great Falls 1987
7B Montana Storm bringt den Gegensatz zwischen Kraft (7A: potentieller ) und Energie 8(7B: kinetisch) nun auf den Punkt: Die ‚fields of gold‘ ‚brennen‘ oder sind schon verbrennt. Der Strasse entlang (unten links) etwas Grün. Der Himmel ist ausser Rand und Band!
8 Montana Missouri Afternoon 1987 jpg
8 -> 8 – 10 zeigen den Missouri: Sein Wasser bestimmt als Lebensader letztlich diese Gegend.. Der Ort der Zeichnung war irgendwo anfangs Holter Lake, auf einer Terrasse. Wir sassen da am späten Nachmittag, wenn das Licht vom Wasser her die Bäume von unten beleuchtet, und tranken Tee. Ich erlag der Verzauberung, ob ich das nun wollte oder nicht, was Ken [5] amüsierte. So schlug er vor, ich solle doch zeichnen..
9 Montana Missouri, Great Falls 1985
Die ‚Great Falls‘ des Missouri sind auch ein Kraftwerk und dieses hat einen Arm mit einem Stuhl, der über dem Wasser schwebt. Da die Turbinen gerade gewartet wurden, erkundigte ich mich, wie ich auf den Stuhl käme.. Als das Blatt fertig und Ken mich abholen kam, bedankte er sich mit einem Grinsen für mich, da ich weitgehend zitterig und durch den Wind war nach all dem Vibriert-Werden, so dass er mich erst mal nach Hause fuhr..
10 Montana The Missouri Breaks GF 1988
10 Die ‚Missouri Breaks‘, jene Felswand jenseits des Flusses im Hintergrund, glühen im Dämmerlicht des Öfteren, wie die ganzen Ebenen. Im 2. Buch wird die Rolle, welche dieser Ort in meinem Leben und im Alltag der Stadt spielte, beschrieben. Vorne sprudelt eine Quelle und in dieser endlosen Weite sind solche verdeckte Juwelen Lebensretter, vor allem im Sommer.. Es ist einer jener Orte, die ich für den Rest meines Lebens vermissen werde, dies Flirren, trotz der Ruhe und die hypnotische Trägheit des Wassers.
11 Montana Wilderness_ 1986
11 Diese ‚Wilderness’ war mehr als nur eine Heimat. Nicht nur, wegen der Umsetzung der Komposition und den Gefühlen, die dies in mir auslöste, sondern vor allem wegen jener unsichtbare Senke im Hintergrund. Aus ihr ragen nach einer Ebene, Hügel und ganz hinten dann die Berge. Ich dachte immer, dass dort die ‚Marshall Wilderness’ liegen müsse. Dort darf man nur hinein, wenn man vorher auf sein Leben dokumentarisch verwirkt hatte. Aber in dieser Senke liegt auch jene Wildnis, in der Cowboys mit Essen und Schlafzeug monatelang allein von Zaun zu Zaun reiten und ihre Arbeit erledigen. Bis dieses Holz dann irgendwann als Teil der Wildnis vergessen geht.
12 – 14 sind nahe beieinander, westlich von Great Falls, wo die einen der ‚Fields of gold‘ liegen, den Gerstenfeldern für die Bierindustrie; wobei im ersten Bild ja noch Schnee liegt.
12 Montana Winter Butes 1987 (88)
12: ‚Winter Butes‘ greift 4 Jahre nach ‚Mt. Shasta’ und 12 Jahre vor ,Fields auf Gold’ den Mythos des elend-langen Zauns auf. Zäune lesen immer als Grenzen zu einer anderen Dimension. Der Zaun ist eine Grenze, aber auf der linken Seite hätte man Zugang.. Bei 12 geht es eher um ‚The Frozen Waste‘, eine Eiswüste, über der ein offener Himmel den Ort noch kälter wirken lässt. Bei Dante ist ja die Hölle vereist.. Aber an der Wand liesst dieses Ölbild ganz anders: Es scheint fast fröhlich und lebensbejahend.. Und die Strasse kreuzt den Zaun wohl in der Unendlichkeit, dort, wo Parallelen sich treffen..
13 Montana Fields of Gold 1 88 ( West of GF)
13: Im ersten der beiden Gegenbilder zu ‚Winter Butes‘ (12) beginnt es gleich, kräftig zu regnen. Es ist einer dieser eher schummerigen Sommertage, welche die Ernte der Fields of Gold noch etwas hinauszögern. Das Grau lässt das Orangegelb der beinahe reifen Gerstenfelder aufglühen.. Überhaupt scheint alles Wärme zu verströmen.. Das Land fliesst weich und weit, ohne Zäune bis zum Fahl der weiten ‚Rockies’. Aber auch hierhin würde es jenseits des subtilen Bruchs in der Kraft der Farbe kein Zurück geben. Raum wird zu ‚Lettner‘ [6] zwischen hier und dort.
14 Montana Fields of Gold 2 1995
14 ist das zweite Ölbild dieser Ansicht und das nun deutliche Gegenbild zur Kälte von 12. Es ist jene Hitze, die alles auflöst und die Menschen an Orte wie Bild 10 (bei den Missouri Breaks) fliehen lässt.. Kein Wunder, reifen hier Getreide wie Tomaten wie sonst nur in der Ukraine oder in Sizilien. Dunst flirrt und jener ‚Lettner‘ [7] zeigt sich hier in aller Deutlichkeit. Das kühle Lila im Gras ganz vorne, macht die Hitze nur noch deutlicher.
15 Montana Fields of Gold 1 95 (2004)Oil
15: Montana, Eden/ Fields of Gold 1996 ist, was es ist! Nachdem ich es gemalt hatte, stiess es allgemein auf wohlwollende Ablehnung. Es besteht aus endlosen Lasierungen, die jede halbe Stunde mit neuen Lichtverhältnissen ein anderes Bild entstehen lassen, was nach wie vor ein guter Grund ist, warum man Ölbilder ausführen sollte. Allerdings verlangen auch zeitgenössische Ölbilder von einem Zuschauer Zeit, wirklich Zeit!