MALEREI
‚Ammel‘ (Anwil)
Inhaltsverzeichnis
Intro
Der Titel ist ungenau, da ich seit langem bemüht bin, im ganzen Kanton Baselland zu arbeiten. (siehe: 1 Gempen Kirschen 1L 1996 bis 13 Therwil 3 2018 und im ’10 Beginning’-Ordner sind frühe Arbeiten aus Bottmingen zu finden .) Der eigentliche Durchbruch kam aber erst, als ich mit 65 nach Anwil in die östlichste Gemeinde des Kantons kam. Diese zweite, grosse und belassene Doppelmappe spannt 4 Jahre, wobei ich im 3. Jahr (2021) nicht zum Malen kam. In ‚7. Kapitel: Tobi/ Einschub Tobi’ ist meine Beziehung zu dieser Gegend eines der beiden Hauptthemen..
Die beiden Mappen haben 9 Unterteilungen:
Der erste Teil beginnt im unteren Baselbiet, wo ich in Bottmingen wohne und aufgewachsen bin. So sehr mir diese Region ans Herz geht, sie ist inzwischen so zugebaut und von der Forstwirtschaft zerstört, dass nicht mehr viel zu sehen ist, vergleicht [1] man sie zum Beispiel mit den Bildern Jacques Düblins, des wichtigen lokalen Malers anfangs des 20. Jahrhunderts. Durch den aggressiven Umbau der Wälder hier sind heutzutage selbst die schönen Linien der Hügelzüge zerfetzt und damit die letzten Ansichten aus der Gegend verschwunden:
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Die nächste Gruppe verbindet Däniken und Nuglar mit Hobel (Hochwald). Alles Orte, in denen es noch Aussichten gibt und wo Freunde wohnen/ wohnten, so dass ich also auch wenn es kühler wurde dort arbeiten konnte.
7 Hochwald 2011 BL
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Dazu kommt eine Handvoll späterer Studien, meist des Gempens, alle im letzten Augenblick und von Therwil aus gemalt. Diese Gemeinde hat einen offenen Hügelzug mit Kamm, da es dort noch Landwirte gibt. Einer der Bauern erlaubte mir Zugang, auch wenn er das mehr oder weniger vergessen hatte, als er mich dort traf, seine Einladung angesichts meiner Arbeit aber wiederholte.
12 Therwil 2 2018 BL-2
Zitat aus
‚VerFall‘, Teil 2 von ‚Auf der Suche nach einem verschwindenden Planeten‘:
„..in diesem in sich verschachtelten Land ist es oft unklar, ob man jetzt über eine Fläche oder an gestaffelte Steilhänge sieht: Verstreut über diese Rothko-artigen Räume, mit ihren mehrdeutigen Kanten, verteilen sich zudem unterschiedlich hohe Obstbäume und Baumgruppen, welche ebenfalls keine eindeutigen räumlichen Beziehungen erlauben: Grosse Bäume können weit weg, kleine näher sein. Dies verwirrt die auf den ersten Blick fast banal wirkende Landschaft endgültig, wären da nicht – eben – die Strassen und Wege, welche Häuser und Höfe verbinden. War Seattle die Befreiung in eine noch weitgehend unberührte Weite, gilt hier das Gegenteil: Über Jahrtausende hat der Mensch mit dem Land gewirtschaftet, es so geformt. In diesem Fall hat er aber seine mythische Natur irgendwie nur unterstrichen, vor allem weil die grundlegenden Entscheidungen hier weit vor dem 17. oder 19. Jahrhundert gefällt wurden.. So begann ich, diesen lang gestreckten Sattel von multiplen Gesichtspunkten aus zu erarbeiten und erkannte im ersten Spätsommer schon, von einem erhöhten Punkt aus, dass zum Beispiel, was von Tobis Wohnung aus wie ein Dreieck kleiner, eng gesetzter Zwetschgenbäume las, eigentlich zwei getrennte Rechtecke sind, welche gestaffelt hintereinander einen Abhang hinunter zu rutschen scheinen, was sich von unterhalb aber nicht zeigt. Und was wie ein kleiner Wald auf gleicher Ebene dahinter liest, ist tatsächlich ein Baumbestand, der sich, durch den Anfang eines verworfenen Grabens von den Obstbäumen getrennt, wie ein C den Hügel dahinter hinunter schwingt. Wie oft hier öffnet sich eine Rille immer breiter werdend, macht aber auch weiter unten höchstens durch den Rauch aus einem Kamin auf sich und das dazugehörige Gehöft aufmerksam.“ (von 37 AML TB 1 2018 BL-26 bis 56 AML TB 18 2023 BL-45) Wer dies vertiefen möchte, liest am Besten den ‚Einschub Tobi‘ im 7. Kapitel mit dem selben Namen..
Die restlichen Mappen beinhalten die Bilder der Ammel-Jahre. Um sie zu zeigen, war die Reihenfolge in der sie gezeichnet wurden dann doch etwas mühsam. Deshalb hab’ ich sie neu nach den 6 Orten gegliedert, wo ich die Jahre 2019-2022 gearbeitet hatte.
Ich beginne mit den ‚3 Bänkli’, von deren Umfeld ich jeweils arbeitete. Die Wahl fiel auf all diese Orte, nicht nur jene in Ammel, vor allem weil diese Sitzgelegenheiten ja auch Orte bezeichnen, die wegen ihres Ausblicks auch den Anwohnern wichtig sind und oft besucht werden. Dazu kommen Ansicht von Tobis Wohnung aus. Da gäbe es zwar ein Bänklein beim Unterburg Modell-Flugplatz, aber wie bei jenem oberhalb von Wölflinswil, ist es technisch fast unmöglich, dort zu arbeiten, da die Füsse den Boden kaum berühren. Bei der Unterburg hab ich mein Auto davor parkiert, so dass ich sogar etwas länger arbeiten konnte, wenn die Schatten sich gegen 11 Uhr dort nach Süden zum Hügel zurückziehen und das Papier zu blenden beginnt.. Oberhalb von Wölflinswil hab ich gezwungenermassen mit Holz einen höheren Fussrest konstruiert. Wir reden also tatsächlich von 5 Bänklein und Tobi’s Fenster!
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Die erste Bank steht östlich vom Dorf, nördlich der Strasse hinunter nach Kienberg. Die Blätter entstanden hinter dem Biotop, meist vor dem Waldrand. Der Sturz im Osten, hinunter zu jener solothurnischen Enklave, deckt im Triptychon 22-24 die linke Seite ab. Der mittlere Teil, ,23’, zeigt Ammels Hausberg, das ,Schnäpfeflühli’, und die Felder davor. Der rechte Teil, ,24’, öffnet den Blick zum Wisenberg und weiter entlang dem Jura. Ganz rechts noch das Dorf Anwil.
22 AML Bank1 6L 2022 BL-12 / 23 AML Bank1 6M 2022 BL-13 / 24 AML Bank1 6R 2022 BL-14
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Biegt man auf dem Weg von Gelterkinden in Rothenfluh nach Osten ab und steigt durch den Wald nach Ammel hoch, kommt man von Norden her zum Dorf. Genau wo der Wald aufhört, hat es einen grossen Parkplatz für Leute, die mit ihren Hunden spazieren. Davor ist die zweite Bank: Ganz links sieht man Ammel mit dem Schnäpfeflühli (27). Danach die Senke mit Oltingen und rechts davon wieder die Wiesenfluh und den -berg mit etwas Jura (28) und davor jene grossflächigen Felder, die in dem Sommern oft brach lagen und so das eigentliche Thema vorgeben.
27 AML Bank 2 9L 2022 BL-17 / 28 AML Bank 2 9R 2022 BL-18.
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Die dritte Bank ist speziell: Von der zweiten Bank aus sieht man über die Länge des Sattels nach Westen. Nördlich davon, oben am Waldrand, öffnet sich die beeindruckende Weite, denn man sitzt dort im Norden und sieht nach Süden. Während der grossen Hitzewelle 2022 war es dort vor den Bäumen nie mehr als 26 Grad. Von diesem Punkt sieht man vom Mittelland links an Höfen und den beiden Dörfern vorbei bis zum Wisenberg ganz im Westen. Vorne zieht der ganzen Länge nach eine grosse ondulierte Wiese, die gegen Osten ansteigt und die, nach dem flachen Kamm, der nach Ammel führt, abfällt.
33 AML Bank 3 12 L 2022 BL-22 / 34 AML Bank 3 12 ML 2022 BL-23
35 AML Bank 3 12 MR 2022 BL-24 / 36 AML Bank 3 12 R 2022 BL-25
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Nach den ‚Bänkli’ kommen die Arbeiten von Tobis Wohnung aus, wo ich schon im April und dann bis in den November arbeiten kann. Von seinem Fenster aus sieht man nach oben ans Schnäpfeflühli mit ‚Unter Burg‘ darunter und dann eben jenen vieldeutigen Hügeln und Hoggern nach hinunter bis zur Ergolz. Von dort steigt eine kurze Wiese mit Bäumen zur Strasse hinauf, über der Tobis Haus thront. Die Zeichnungen decken die ganzen Jahre ab und dort entstehen denn auch die ersten horizontalen Doppelbilder. Der Anfang war sehr magisch, da ich plötzlich in einem Zimmer mit grossen Fenstern gelandet war. Allerdings hatte ich eine auf den ersten Blick unspektakulären Aussicht vor mir, zu der ich erst noch einen Bezug hatte aufbauen müssen. In den USA und OZ war da jeweils genug offensichtliches Drama, damit sich sowas letztlich von selbst ergibt. Wie es im Buch heisst, ist dies jedoch ‚eine Landschaft, die sich grundsätzlich entzieht‘. Es fiel mir schon während der ersten Blättern auf, wie hier nichts räumlich eindeutig ist. Man ist also gefordert, diese Vieldeutigkeit schlicht anzunehmen, so wie man sie erlebt und zu versuchen das, was sich auftut, ‚sichtbar zu machen‘: Mir wurde schnell klar, dass diese Landschaft nur durch ein Anwenden von ,Rothkos mehrdeutigen Kanten’ darzustellen war und dass insofern das die Erfüllung von Jahrzehnte langem ‚sehen‘ beinhaltete.. Die dem Land eigene, visuelle Verunsicherung durfte so einfach ‚da‘ sein, so wie das Wetter.. Allerdings brauchte es meine ganze Ausbildung und Erfahrung, um anfangs überhaupt etwas aufs Papier zu bekommen. Ich arbeitete mich erstmal durch die Weite des Raums und wählte deshalb die Ausblicke der 5 Bänke. Erst heute, 5 Jahre später, schau’ ich aus dem Fenster und bin sozusagen ‚bewegt‘.. Je mehr ich meinen Instinkt nach Kontrolle und Ordnung aufgab, um so mehr ergaben sich nachvollziehbare Verhältnisse und inzwischen vermisse ich die Vexierspiele der frühen Tage..
49 AML TB 13 L 2022 BL-38 / 50 AML TB 13 R 2022 BL-39.
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Vor dem Schnäpfeflühli, gegenüber der Fenster, liegt, wie gesagt, der Unter Burg Flugplatz für Modellflieger. So kommen im Sommer montags oft in Schüben leise fluchende Bauern mit Leitern, um ihre Flugzeuge unten aus den Bäumen zu befreien.. Der Blick geht nun nach Norden (wo Bank 3 liegt). Ganz im Westen erstreckt sich ein komprimierter Jura bis in seine Auflösung und im Osten schliesst sich der Schwarzwald nördlich dem Mittelland an. Die Sicht ist atemberaubend! Allerdings musste ich von 06.00 bis 11.00 Uhr malen, bevor das direkte Sonnenlicht aufs Papier fällt. Sonnenuntergänge dort brennen sich ins Gedächtnis ein, sodass sie sich farblich in diese frühmorgendlichen Bilder einzuschleichen wussten. 57 – 60 habe ich dort gezeichnet. Für 61/62 ging es etwas weiter nach Osten und nach unten zum Eingang jenes ‚unterirdischen Sees’, wo noch unerledigte Arbeit auf mich wartet.
59 AML FH 21 L 2019 BL-48 / 60 AML FH 21 R 2019 BL-49
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63 und 64 sind hoch über Wölflinswil am Waldrand auf der 5. Bank gemalt. Unter mir lag das Dorf, wo mein Urgrossvater aufwuchs. Dank dem ewig-schönen Herbst 2022 konnte ich tagelang diesen komplexen Teppich von Feldern und Höfen durcharbeiten, einschliesslich Dorf und Kirchen und wieder hinauf zu jener 5. Bank dort..
63 AML Wölflinswil 23 L 2022 BL-52 / 64 AML Wölflinswil 23 R 2022 BL-53